23
Aug

Yaands Hörrohr der Wahrheit

   Posted by: Liala   in Schlagzeilen

Geneigte Leser,
eine wahre Flut neuer, einzigartiger Gegenstände scheint in letzter Zeit den Weg nach Trent gefunden haben. Umso mehr ein Grund für mich, die Besitzer eben jener ausfindig zu machen und in eurem Sinne mehr über die wahrhaft wunderlichen Stücke herauszufinden.
Dieses Ansinnen war es, das mich in dieser Woche zu unserem ehrenwerten Yaand führte, welcher seit einiger Zeit ein gar seltsames Gerät sein Eigen nennt. Ich muss gestehen, simple, banale Neugier trieb mich auch, als ich den ahnungslosen Doctore am Markt abpasste, und ihm diese Fragen stellen konnte…pc_custom_item01_6995_GLQRTZgsv0_20100810

„Gut, dann los… also Yaand, es geht, wie Ihr Euch sicher denken könnt, um Euer Hörrohr. Wo in aller Welt bekommt man solch eine Apparatur her?“ Meine Feder verharrte über meinem Notizbuch.
„Werte Liala, das ist eine gute Frage.“, setzte er an. „Zu Studienzwecken hielt ich mich in der Bibliothek auf. Professor Bloom kam eines Tages auf mich zu, unterbrach meine eifrigen Lesebemühungen und hatte dieses seltsame Gerät in den Händen.“ Wie zur Demonstration holte er es aus seiner Tasche.
Neugierig warf ich einen Blick darauf, so etwas hatte ich tatsächlich noch nie zuvor gesehen.
„Also bekamt Ihr sie vom Professor? Nun, er ist sicher Experte in solchen Dingen – hat er Euch denn auch im Gebrauch des Rohrs unterrichtet oder musstet Ihr seinen Zweck selbst herausfinden?“ Neugierig haftete mein Blick nun wieder an Yaand, welcher langsam nickte.
„Ich bekam das Hörrohr vom Professor. Der Nutzen freilich war ihm wie auch mir völlig schleierhaft. Er fand es auf dem Dachboden.“, merkte er an. „Es kostete uns unendlich viele mühevolle Stunden, seinen Sinn zu ergründen. Bis der Zufall uns zu Hilfe kam.“
Aufmerksam blickte ich auf. „Nun habt Ihr mich neugierig gemacht… wie kamt Ihr hinter das Geheimnis?“
Er lehnte sich zurück und begann zu erzählen: „Es erinnerte zuerst an eine Art Camera Obscura, man guckt in das kleine Loch und sieht die Welt viel schärfer und sich aufweitend. Doch ließen sich da nirgends Bilder festhalten. Der Gedanke vom visuellen Eindruck zum akkustischen ist dann naheliegend gewesen. Und wir waren überrascht.“
Er hielt inne und bedachte mich mit einem vielsagenden Blick. Meine Neugier ließ mich unruhig auf meinem Stuhl hin und her rutschen.
„Also ein Fernrohr für die Ohren? Aber sagt… was genau habt Ihr entdecken können?“ Mit großen Augen lehnte ich mich vor, begierig, endlich das Geheimnis des Hörrohres zu erkunden.
„Ein Fernrohr für die Ohren trifft es gut.“, stimmte Yaand mir zu. „Mit diesem Wissen ging ich meinem täglichen Handwerk nach und gelegentlich beschäftigte ich mich mit dem Hörrohr. Lauschte hier und dort und kam aus dem Staunen nicht mehr raus.“
Er unterbrach sich kurz, legte die Stirn nachdenklich in Falten und fuhr dann fort: „Vollends geplättet war ich jedoch beim Anwenden am lebenden Patienten. Ein Rauschoratorium erwartete mich, sobald ich mit dem Rohr in die Körper der freiwilligen Patienten hörte…“
Beinahe fiel ich vom Stuhl, so schwer war es, mich noch auf meinem Sitz zu halten.
„Ja aber was konntet Ihr denn nun genau erfahren? Irgendwelche Neuigkeiten, gar Geheimnisse?“
Mein flehender Blick traf ihn und wurde nicht enttäuscht.
„…bis ich eines Tages die glockenklaren Klänge eines kleinen Menschen unter dem Herzen einer Patientin erlauschte. Ich fürchte, ich wusste eher was da los war, als es ihr Angebeteter erfahren hatte.“
Mein Mund formte sich zu einem tonlosen „Oh“.
„Eine Schwangerschaft? Welche Dame befand sich denn zu diesem Zeitpunkt in Euren fachkundigen Händen?“
„Daran kann ich mich leider nicht erinnern.“, nuschelte er und ignorierte somit mein Bedürfnis nach einer handfesten Sensation. „Manchentags rennen sie mir ja die Marktbude ein. Jedoch bin ich nicht sicher, ob nun zum gucken oder hören. Was mich dennoch überraschte war eine weitere Entdeckung.“
Ich ergriff diesen Strohhalm und spitzte die Ohren.
„Was habt Ihr entdeckt, ehrenwerter Yaand?“
Gespannt lauschte ich und wurde in der Tat nicht enttäuscht.
„Sobald sich Gerüchte am Markt verbreiten in denen es um… äh…“ Er hielt kurz inne. „Sagen wir mal zwischenmenschliche Dinge geht, verspüre ich den zwanghaften Drang zu lauschen. Ich setze das Hörrohr ans Ohr, heimlich in der Bude, und höre den Gedankenfetzen zu, die über den Platz wabern…“
Schockiert quietschte ich auf. „Ihr belauscht die intimen Gedanken der Marktbewohner?“
Beinahe abwesend nickte Yaand, einen seltsamen Ausdruck in den Augen.
„Ich bin dann nicht mehr ich selbst und es endet, indem ich von Krämpfen geschüttelt und erschöpft in eine Ecke sinke.“ Er seufzte tief
Diese Offenbarung ließ mich nun doch wieder ein Stückchen abrücken, wer wusste, ob ein solcher Anfall nicht gerade bevorstand?
„Also ist das Hörrohr für Euch nicht nur Segen, sondern auch Fluch?“
Er nickte mir zu. „Ja, so ist es. Es scheint Segen und Fluch…“
Besorgt notierte ich auch diese Aussage. „Dann hoffe ich, dass es nicht auch noch Euer Verhängnis wird. Habt Dank für Eure Zeit, werter Yaand.“
„Sehr gern, werte Liala.“

Mit diesen Worten verabschiedeten wir uns, wenngleich meine Gedanken noch lange bei diesem Gespräch verweilten. Ob das Hörrohr lediglich ein nützliches, medizinisches Gerät ist? Oder doch eine wahrhaft teuflische Apparatur, die ihren Besitzer auslaugt und schwächt? Ich weiß es nicht und hoffe dennoch, dass sich die erste Vermutung auf Dauer bewahrheiten wird.
Eine schöne Woche wünscht Euch

Eure Lia

This entry was posted on Montag, August 23rd, 2010 at 09:59 and is filed under Schlagzeilen. You can follow any responses to this entry through the RSS 2.0 feed. Responses are currently closed, but you can trackback from your own site.

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