Archiv für Sparte ‘Geschichten, Gedichte und Musikalisches’

20
Nov

Das Laternenfest

   Von: Alexa Viator in Geschichten, Gedichte und Musikalisches

Am Abend zur Stunde 20 trafen sich Trenter Bürger am Markt zum Laterne laufen. Fröhliche Flötenmusik erklangen die Gassen und es wurde gesungen. Von weit bekannten Legenden und Mythen. Viele bunten Laternen von Sonne bis Mond werden nach und nach am Lagerfeuer auf dem Marktplatz angezündet und schon bald erleuchtet Trent in Fackellicht.

Helia stimmt ein Lied ein.
„Ich gehe mit meiner Laterne, und meine Laterne geht mit mir …“
„St. Martin St. Martin St. Martin ritt bei Schnee und Wind ….“
Mit den passenden Flötenklängen ist ein buntes Treiben am Markt zu sehen.
Es wurde Süßes und Musik verteilt. Über einen tapferen Mann St. Martin erzählt man sich
Sogar die Papierdrachen tanzen in der Luft. Doch für einige Trenter Bürger sei es fremd.

„St. Martin? Wer ist das? Ich kenne nur Geschichten über Feen, Elfen und Elben“, gesteht Loulu und lauschte an der warmen Quelle der Eisinsel der Lieder, welch über das Meer getragen werden.

Nun sitzen die Trenter Bürger am Markt um das Feuer und genießen die Atmosphäre. Die Torte ist angeschnitten und jeder hatte Spaß an diesem Abend.
Geduldig erzählt Prof. Bloom eine fast vergessene Geschichte. Von drei Trenter Bürger, die vor langer Zeit einem Fluch verfallen waren und im Eisschloss kurz vor dem Erfrieren waren. Aber mit der starken Zusammenarbeit vieler Trenter Bürger konnte man den Fluch brechen und die entführten Bewohner wieder auftauen und Wärme schenken. So wie einst ein tapferer Mann seinen Mantel teilte, um jemanden Fremdes zu helfen, so lehrte es den Simkeaner ebenso füreinander zu sorgen.

Schließlich gingen alle Müde zurück in Ihre warmen Unterkünfte und träumten noch die ganze Nacht davon.

(Clemmk)

Teil 1: Aufbruch

Loulu seufzte leise, als sie sich von Simkea verabschiedete. Die friedliche Gegend hatte ihr einst Trost gespendet, doch die anhaltende Abwesenheit ihres Liebsten, Klamdor, lastete schwer auf ihrem Herzen. Mit entschlossenen Schritten brach sie in die keltische Anderwelt auf, in der Hoffnung, dort Frieden zu finden.

Loulu betrat die von einer magischen Atmosphäre durchdrungene Anderwelt. Der Übergang von Simkea war fast nahtlos, als ob sie durch einen unsichtbaren Schleier schritt. Die Luft hier war erfüllt von einem sanften Leuchten, das von keinem offensichtlichen Lichtquell stammte, und jeder Atemzug fühlte sich an, als ob er alte Geschichten und uralte Geheimnisse in sich barg.

Ihre Reise führte sie durch dichte Wälder, deren Baumkronen das Sonnenlicht verschluckten und das Zwitschern der Vögel zu einem geheimnisvollen Flüstern dämpften, vorbei an steilen Bergen, deren Gipfel in den Wolken verschwanden, und über tiefe Täler, in denen Nebelschwaden wie Geister tanzten. Die Landschaft war atemberaubend: saftig grüne Hügel erstreckten sich bis zum Horizont, durchsetzt mit kristallklaren Flüssen, die wie flüssiges Silber im Mondlicht glitzerten. Alte Eichenwälder, deren Bäume Flüstergeister beheimateten, umgaben sie. Manchmal hörte Loulu die sanften Stimmen der Geister, die ihr Mut zusprachen und uralte Lieder sangen, die von Liebe, Verlust und Hoffnung erzählten.

 

(Loulu)

Da erklang ein leises Lachen. Angespannt spähte sie in die Richtung, aus der das Lachen zu hören war.
„Ich bin hier Werteste“ hörte sie Camulos. Gleichzeitig trat er vor und stand unmittelbar vor ihr. Er legte etwas neben den Baumstamm, sie konnte nicht erkennen, worum es sich handelte, und setzte sich zu ihr.
„Ich habe Euch nicht ankommen hören und gesehen habe ich Euch auch nicht“, entgegnete sie erstaunt.
„Das war auch Sinn der Sache, es ist ein Teil, von dem, was ich Euch zeigen wollte“ lautete seine Antwort, „Ihr selber leuchtet durch das Rodegebiet und seid schon von weitem zu sehen.“
Verständnislos sah sie ihn an.
„In der Nacht als wir uns begegnet sind, wollte ich gar nicht bis hierherlaufen. Da sah ich etwas Helles und deswegen kam ich nachsehen, wer oder was sich hier aufhält. Der Rest ist Euch ja bekannt“
„Ja, und ich muss zugeben, dass es eine gute Begegnung war“, sagte sie leise.

„Ich bitte Euch jetzt aufzupassen. Ich werde mich entfernen und wieder herkommen.“ Er stand auf und nach wenigen Schritten konnte sie ihn nicht mehr sehen. Wieder starrte sie in die Dunkelheit. Nach einiger Zeit erkannte sie einen sich langsam nähernden hellen Schatten, immer deutlicher erkennbar werdend, bis Camulos wieder ganz zu sehen war. In seiner hellen Lederkleidung, den braunen Umhang hatte er über den Arm gelegt. Diesen nahm er nun und legte ihn sich wieder an, verschloss ihn mit einer Fibel. Sie musste nun wieder genau gucken, um ihn zu erkennen, obwohl er sich nur wenige Schritte von ihr befand.
„Darum wolltet Ihr die Dunkelheit“ nickte sie, langsam verstehend, was ihr gerade vorgeführt worden war, „aber wir Sidhe tragen immer weiß, das gehört zu unserem Volk. Ich will nicht meine ganze Identität in Simkea verlieren“ fügte sie hilflos zu.
Camulos setzte sich zu ihr.
„Seht, Ihr braucht doch nur den Umhang dunkel, alles andere kann bleiben, wie Ihr bei mir ja gut sehen konntet. Eine Kapuze aufgesetzt verdeckt Eure Haare vollständig, sodass Ihr nicht gleich von weitem zu sehen seid. Und für einen Gegner, mit dem Ihr Euch gerade im Kampf befindet, seid Ihr so auch weniger gut zu erkennen, besonders da Ihr mit dem Kurzbogen kämpft“

„Ich denke, ich habe verstanden. Ich werde meine Schneiderin bitten mir die Umhänge in Zukunft dunkel zu färben“ sprach sie widerstrebend leise, immer noch nachdenklich.
„Da habe ich was für Euch, mit einem schönen Gruß von einem Freund“ lachte Camulos, griff nach dem kleinen Etwas und legte es ihr in den Schoß. „Wenn Ihr das nächste Mal am Brunnen vorbeikommt, nehmt eine Kleinigkeit für den immer hungrigen Bären mit.“
Es war weich, sie erfühlte Stoff. Erstaunt hob sie es hoch und es entfaltete sich.
„Gerne gebe ich dem Bären was an Essen, er mag sicher Fisch? – Das ist ein Umhang!“ erkannte sie dann.
„Es ist vor allem ein dunkler Umhang. Und wenn Ihr heute wieder hier übernachtet, möchte ich, dass Ihr ihn anlegt.“ Das klang streng.
„Ja natürlich, ich probiere ihn mal an“ stotterte sie. Seine Bestimmtheit verdutze sie.
Sie erhob sich von dem Baumstamm und legte den weißen Umhang ab. Den Dunklen im Kerzenschein genauer betrachtend sah sie, dass er dunkelrot war. Schnell legte sie ihn um und stellte fest, wie gut er passte.

Schüchtern fragte sie: „Seid Ihr nun zufrieden?“ und schloss den Umhang mit ihrer Fibel.
„Nein“, sagte er, stand auf und zog ihr die Kapuze über den Kopf.
„So ist es richtig. Schade, dass Ihr selber den Unterschied nicht sehen könnt“ schmunzelte er.
„Ich habe es bei Euch gesehen werter Camulos, es war eine gute Vorführung“
Sie setzten sich wieder nebeneinander auf den Baumstamm. Leise sprachen sie noch eine Weile miteinander.

Mittlerweile war schon die dritte Kerze in Folge heruntergebrannt, als sich Camulos erhob und für den Rückweg bereit machte.
„Geht einmal zu Reto in die Taverne. Soweit ich weiß, hat er immer Probleme in seinem Keller, ein guter Anfang für Kämpfer. Ansonsten wünsche ich Euch eine gute Nacht. Wir sehen uns gewiss bald wieder“ verabschiedete er sich.
„Vielen Dank für alles und einen guten Heimweg werter Camulos, gute Nacht.“ Und schon war er wieder mit der Dunkelheit verschmolzen. Die helle Stelle auf dem Baumstamm, die der weiße Umhang gebildet hatte, war ebenso verschwunden.

In sich zufrieden und ausgeglichen zog sie sich sofort in ihren Unterstand zum Schlafen zurück. Ja, es war ein neues Leben in Simkea, ganz anders als sie es kannte, aber es war auch ein gutes Leben.

Ende 

Ravalya Kergarth

Am prasselnden Feuer sitzend aß sie ein Brötchen mit ihrem geliebten Honig, dazu trank sie einen Schluck Apfelsaft. Ungläubig nahm sie den Kurzbogen zur Hand – sie hatte sich tatsächlich die benötigte Ausrüstung zugelegt.
Nun, so sollte auch jetzt der nächste Schritt erfolgen, machte sie sich selber Mut und stand von der Holzbank auf, um in Richtung Monumenthallen zu gehen.
Auf ein Wiedersehen mit Camulos von Noröm freute sie sich sehr. Dass ihre Knie immer weicher wurden, je näher sie ihm kam, versuchte sie zu ignorieren.
Vor dem Eingang blieb sie kurz stehen, um einen Schluck Wasser zu trinken, sie hatte gar nicht bemerkt, dass der Mund immer trockener wurde. Sie nahm allen Mut zusammen, straffte die Schultern und betrat die Monumenthallen. Die Größe der Halle nahm ihr auch diesmal den Atem, wie jedes Mal, wenn sie durch das Tor trat. Unwillkürlich erhob sie den Blick zu den hohen Decken, die von Säulen und kunstvollen Bögen getragen wurden.

„Ein wundervolles Bauwerk, nicht wahr? Werte Ravalya, ich wusste, dass Ihr herfindet“ ertönte neben ihr eine Stimme.
Sie fuhr zusammen. Wieder hatte sie sich von ihm überraschen lassen. Unsicher sah sie Camulos an, doch sein strahlendes Lächeln bis in die Augen beruhigte sie sofort.
„Ja werter Camulos, wie Ihr mir geraten habt, mit Waffe und Rüstung“, erwiderte sie und hielt den Kurzbogen vor sich.
„Erst die Rüstung, danach zeige ich Euch den Umgang mit dem Bogen“
Sie nahm die geflickte Lederrüstung aus dem Rucksack und Camulos unterwies sie genau, wie sie anzulegen und zu schließen sei. Er ließ sie vielmals üben, bis sie es gut schaffte. Einwände ihrerseits, dass es wohl reiche, überging er zunächst. Endlich schien er zufrieden zu sein.
„Ich konnte Euch da nicht nachgeben, Ihr müsst es schaffen, die Rüstung alleine und auch im Dunklen der Nacht schnell und sicher anzulegen. Lasse ich Euch zu früh laufen, schleift Ihr womöglich mit den Übungen?“ grinste er.
„Möglicherweise ja“, murmelte sie errötend und konzentrierte sich schnell wieder auf die Rüstung.

Mit viel Geduld lehrte Camulos ihr richtig mit dem Bogen umzugehen. Sie lernte das Ziel richtig anzuvisieren, den Pfeil ohne Nachdenken aufzulegen, den Bogen sicher zu spannen und ruhig abzuschießen. Diese Handlungen gingen ihr immer leichter von der Hand, nach vielen Stunden endlich durfte sie aufhören.
„Ihr könnt jetzt alles, was für den Anfang nötig ist“, lobte er sie. „Ich habe Euch fast alles gezeigt, was Ihr zum Kämpfen draußen benötigt“
„Nur fast alles?“, fragte sie stöhnend. Eigentlich wollte sie nur noch eine Mahlzeit zu sich nehmen und danach einfach in ein Bett fallen. Ihrem Gefühl nach musste es schon längst Nacht sein.
„Es gibt da noch eine Kleinigkeit, die ich Euch zeigen möchte. Dazu würde ich Euch gerne morgen nach der Dämmerung an der Stelle treffen, an der wir uns kennengelernt haben.“
Morgen Abend, das klang jedenfalls besser als jetzt. Sie wäre wieder genügend erholt, um das, was da auch immer auf sie zukam zu überstehen.
So stimmte sie dem Treffen zu, ohne weiter darüber nachzudenken. Zufrieden lächelnd verabschiedet sich Camulos von ihr am Tor der Monumenthallen.
„Habt eine gute Nacht, Werteste. Sicher werdet Ihr gut ruhen heute“
„Oh ja, das werde ich. Vielen Dank werter Camulos für Eure Mühe mit mir. Ich weiß, dass es nicht einfach war. Auch Euch eine gute Nacht und angenehme Träume“ knickste sie und trat durch das Tor in die Gassen von Trent.

Am nächsten Morgen begab sie sich gleich nach einem ausgiebigen Frühstück in das Rodegebiet zur sonnigen Waldstelle. Sie brauchte neue Baumstämme und konnte so schon vor Ort sein, wenn es abends zu der geplanten Zusammenkunft kam.
Den ganzen sonnigen Tag über war sie fröhlich bei ihrer Tätigkeit.
Kurz vor Eintritt der Dunkelheit befestigte sie ihre Axt an ihren Werkzeuggürtel und warte sitzend auf einen gefällten Baumstamm. Zur Beleuchtung klebte sie mit etwas Wachs eine ihrer Bienenwachskerzen auf den Baumstamm und entzündete sie. Angestrengt spähte sie in die jetzt kaum noch deutlich zu sehenden Baumgruppe, wann Camulos denn käme.

 

Fortsetzung folgt …

 

Ravalya Kergarth

Ninawes Geschichte geht weiter. Viel Spaß beim Lesen.

Kleine Warnung, könnte Spoiler enthalten

Der Anfang vom Anfang

2

Sie packt ein wenig von ihren Vorräten für ein Abendessen aus. Ihr ist es ganz gleich, was sie gerade isst und so landet Fisch am Stock mit Marmeladenbroten und Malzbier in ihrem Magen, ohne, dass die junge, blonde Frau den Geschmack wahrnimmt. In ihren Gedanken versucht Ninawe sich an den Beginn des Wegs, der sie an diesem Abend auf diese Insel geführt hat, zu erinnern. Das ist schon Jahre her, vor über sechs Jahren hatte ihre Reise begonnen, und zwar in Trent. Dort hatte sie ein merkwürdiges Schild in der Nähe des Markts gesehen und sich gewundert, was es damit auf sich hat. Und so war sie in eine Quest hineingestolpert, ohne zu ahnen, wie groß und lang diese werden würde. „Und jetzt sitze ich hier, ganz in der Nähe des Endes dieser Aufgabe. Das ist fast nicht zu glauben“, seufzt sie leise. Sie klopft sanft und gedankenverloren auf ihren Rucksack, der prall gefüllt neben ihr auf der Bank steht. Gefüllt mit Tuchbeuteln voller merkwürdiger, verrückter Dinge, die sie sich vor sechs Jahren niemals hätte vorstellen können. Ein leiser Schauer überrinnt sie, als sie Bilder der bestandenen Abenteuer vor ihrem inneren Auge vorüberziehen sieht. Hitze, Schmerz, unglaublicher Mut, Blitze, Wüsteneinsamkeit, hilfreiche Freunde, Gelehrsamkeit, Reichtum – aus all diesen Dingen hatte sich die Quest langsam geformt und findet nun hoffentlich ihren Abschluss.

3

Das Jetzt

Sie hätte sich vielleicht etwas Stärkeres als Malzbier mitnehmen sollen. Aber ein klarer Kopf ist wohl eine bessere Zutat für den epischen Abschluss als angetrunkener Mut. Sie schaut hoch zum Mond der langsam seine Bahn am dunklen Himmel zieht, sie muss noch warten, die Zeit ist noch nicht reif. Ninawe ist müde, aber sie wird auf keinen Fall schlafen, die genaue Stunde will sie auf keinen Fall verpassen. Ein leiser Laut aus der Dunkelheit, eine Art Knurren, vertreibt ihre Müdigkeit auf der Stelle. Nein, heute ist äußerste Wachsamkeit angezeigt. Der Mond wandert in aufreizender Langsamkeit über den Himmel. Ninawe nascht von ihren Vorräten und denkt an das letzte Abenteuer der Quest, das nun vor ihr liegt. Ihr läuft ein leiser, eisiger Schauer über den Rücken, der nicht von der Kälte herrührt. Sie zieht ihren Umhang fest um sich und drückt den Filzhut tief ins Gesicht und über ihre Ohren. Zum Glück ist es ganz windstill. Das Feuer knackt leise, ihr Atem gefriert in kleinen Wölkchen und die Kälte kriecht ihr in die Knochen. Am liebsten würde sie in der heißen Quelle baden, aber sie möchte all ihre Kraft für die letzte Aufgabe sammeln. Was wohl genau passiert bei dem letzten Ritual? Ob sie alles richtig machen wird? Es soll Abenteurer vor ihr gegeben haben, die gescheitert sind. Oder nochmals nach Trent reisen mussten, um nicht zu scheitern. Sie hat hoffentlich an alles gedacht. Ninawe wünscht sich, eine Freundin mitgenommen zu haben, aber diese Quest muss sie alleine beenden. Sie schaut zum x-ten Male zum Mond hoch.

Es ist eine laue Herbstnacht in Simkea. Mit offenen Augen liege ich in meiner Schlafrolle im Holzfällerlager. Überall rascheln die abgefallenen Blätter und zusammen gewehte Laubhaufen im sonst stillen Umland und am Waldrand. Doch schau genau: dazwischen liegen kleine Kürbisse, manche mit gruseligen Fratzen. In der Luft ist ein Geflatter, lautlos schwirren die Fledergrausis daher. Es ist Halloween im sonst so beschaulichen Simkea!
Mir scheint, ich kann heute nicht einschlafen, das kenne ich doch sonst nicht? Kaum zu erkennen, auf dem schmalen Weg von der Nordschneise/Gutshof ins Umland flimmert es weißlich hell. Da höre ich ein immer lauter werdendes Hufgetrappel. Wer da wohl noch so spät in der Nacht auf seinem schnellen Pferdchen durchs Land galoppiert?
Das Hufgetrappel und das weiße Flimmern nähern sich unaufhaltsam schnell. Jetzt erkenne ich schon ein weißes Pferd, mit seltsam schimmerndem Fell. Vorstürmend biegt es soeben in Höhe des Simkea – Portals nach Norden ab. Da sehe ich auch, dass kein Reiter auf dem bedrohlich wirkenden Pferd sitzt. Und ich erkenne ein Horn auf der Stirn des Pferdes. Es läuft mir eiskalt über den Rücken. Meine Atmung setzt aus.

Ein Einhorn!

Ein wild gewordenes Einhorn trifft es wohl besser. Und es galoppiert direkt auf mich zu. Weitere Schauer lassen mich zittern. Das Einhorn reißt sein unheimliches Maul auf, ein beklemmendes »buuuuuuhhhhhuuuu« schallt mir entgegen.
Entgeistert hole ich Luft, doch es reicht nicht, ich atme stoßweise. Ein lautes Scheppern lenkt meinen Blick auf meinen Handkarren. Dort fallen gerade meine frisch gefällten Baumstämme in handliche Stücke, fast wie von Hand zugesägt. Es ist mir unheimlich, trotzdem denke ich: »Wie praktisch ist das denn?«. Völlig überraschend steht da plötzlich Sarafine und plärrt lauthals: »Da fehlen noch Baumkäfer«.
Das Einhorn rast schauderhaft röhrend im Kreis durch das Holzfällerlager, gleichzeitig quellen haufenweise Baumkäfer aus den Holzstücken hervor. Ich versuche, mich über das Holz zu werfen, um den Rest zu retten. Doch da ist kein Holz mehr. Nur noch ein Gewimmel und Gekrabbel von Baumkäfern. Angst schnürt mir die Kehle zu, ich schreie, und doch kommt kein Ton aus meiner Kehle.

Jäh wird es mir seltsam kalt und feucht, abrupt wache ich auf. Auf meiner pitschepatsche nassen Brust sitzt ein wiederlicher Nachtalb und vor mir steht der quirlige Fernohl mit seiner jetzt leeren Wasserspritze. Erleichtert atme ich tief ein, es war nur ein Traum, ein Albtraum …

Ravalya Kergarth

Vielen Dank an Loulu für das Bild und die wundervolle Geschichte.

 

An einem düsteren Halloween-Abend, als der Vollmond hoch am Himmel stand und die Schatten der Bäume unheimlich über den Boden krochen, beschloss Loulu, ihre magischen Fähigkeiten zu verbessern. Sie zog sich in den alten, verlassenen Friedhof im Trenter Umland zurück, wo sie ungestört ihre Zauber üben konnte.

Der Friedhof war ein Ort voller Geheimnisse und alter Magie. Manche Gräber waren mit Runen bedeckt, und die Luft war erfüllt von einem leisen Flüstern, als ob die Geister der Vergangenheit zusahen oder ein ganz bestimmter. Loulu entzündete einige Kerzen und begann, die alten Zaubersprüche aus einem verstaubten Buch zu rezitieren. Doch in ihrer Eile und ihrem Eifer machte sie einen verhängnisvollen Fehler.

Ein falsches Wort, eine unbedachte Geste – und plötzlich erfüllte ein grelles Licht den Friedhof. Loulu spürte, wie sich eine kalte, unheimliche Macht um sie legte. Als das Licht verblasste, sah sie ihr Spiegelbild in einem alten, zerbrochenen Spiegel und erschrak. Ihre einst strahlenden Augen hatten die Farbe gewechselt und waren nun von einem unheimlichen Glanz erfüllt, ihre Haut war blass und kalt, und ihre roten Locken wirkten wie lebendige Flammen. Sie hatte sich in eine schaurige Version ihrer selbst verwandelt.

Verzweifelt suchte Loulu nach einer Lösung. Sie wusste, dass sie den Fehler rückgängig machen musste, bevor die Verwandlung dauerhaft wurde. Sie erinnerte sich an die Worte des alten Druiden aus der Anderswelt, er kannte selbst die Geheimnisse der so weit entfernten Welt Simkeas. Er erzählte ihr von einem mächtigen Artefakt, das in den Tiefen des Dunkelwaldes verborgen lag – der Spiegel der Wahrheit. Dieses Artefakt konnte jede Verwandlung rückgängig machen, doch es war nur eine Legende.

Mit festem Entschluss machte sich Loulu auf den Weg in den Dunkelwald. Der Wald war in dieser Halloweennacht besonders finster. Die Bäume schienen sich zu bewegen, und unheimliche Geräusche erfüllten die Luft. Sie kämpfte sich durch die Dunkelheit, ihre Klinge bereit.

Nach einer langen und beschwerlichen Reise erreichte sie schließlich eine Lichtung, in deren Mitte der Spiegel der Wahrheit stand. Doch bevor sie ihn erreichen konnte, wurde sie von einer Horde dunkler Wesen angegriffen. Ihre Augen glühten in einem unheimlichen Rot, und ihre Klauen waren scharf wie Rasiermesser. Sie hatte noch nie solche Wesen im Dunkelwald gesehen. Es musste mit dieser besonderen Nacht zu tun haben. Waren es etwa die Hexalupe, die sich von den Eisinseln hierher verirrt hatten? Loulu kämpfte tapfer, ihre Klinge blitzte im Mondlicht, und mit jedem Hieb und Schlag verteidigte sie sich gegen die dunklen Kreaturen.

Schließlich, nach einem erbitterten Kampf, erreichte sie den Spiegel. Sie trat vor ihn und sprach die alten Worte des Druiden. Der Spiegel begann zu leuchten, und ein warmes, beruhigendes Licht umhüllte Loulu. Sie spürte, wie die dunkle Macht von ihr wich und ihre ursprüngliche Gestalt zurückkehrte.

Erschöpft, aber erleichtert, kehrte Loulu nach Trent zurück, wo sie sehr erleichtert war, dass die Dorfbewohner sie begrüßten, als wäre nichts geschehen. Vielleicht war dies alles nur ein böser Traum gewesen.

(Loulu)