„Was soll das heißen sie ist euch entkommen?“ Darkman´s Stimme durchschnitt das Dunkel der Ruine. Er war wütend, so wütend wie ihn noch niemals jemand gesehen hatte. Er blickte auf das Bündel, das vor ihm lag. Eine blonde Frau, die im selben Alter wie Eleonora zu sein schien. Eine blonde, keine schwarze, NICHT Eleonora. Er schlug gegen einen Stein. „Wie konntet ihr sie nur entkommen lassen? Was ist geschehen?“ Der Goblin vor ihm stand still trotz Darkman´s unbändiger Wut. „Sie sprang aus dem Fenster, lief ins Feld und entkam. Mein Bruder wurde getötet, von einer Dimensionengängerin, von Almatea.“, er sprach den letzten Teil des Satzes aus, als wenn er etwas Bitteres, Giftiges im Mund hätte, es nicht runterschlucken wolle und die Worte deshalb durch zusammen gebissene Zähne sprach. „Du schuldest uns ein Leben!“
Bei den Goblins waren alle Mitglieder eine Familie. Egal ob man von derselben Mutter gezeugt wurde, man war ein Bruder des anderen. Wer immer einen Gefallen von den Goblins forderte, bei dessen Erfüllung einer ihrer Art sein Leben ließ, war in der Schuld der ganzen Goblinrasse. Darkman schuldete den Goblins jetzt ein Leben. Es war den Goblins egal, wie es bezahlt wurde. Ob Darkman Almatea tötete, ob er sein Leben für den gestorbenen Goblin gab oder die Familie ausbezahlte. Er stand in ihrer Schuld und er wusste genau, dass die Situation es nicht zuließ, dass er den Tod eines der ihren einfach so überging.
Darkman atmete tief: „Es tut mir leid um das Leben deines Bruder. Ich stehe in eurer Schuld und werde diese begleichen. Richte der Familie mein Beileid aus. Wenn es mir möglich ist, werde ich ihnen noch heute einen Besuch abstatten, aber erstmal muss ich zusehen, wer dies ist und was sie mit Eleonora zu tun hat.“, er seufzte. „Verstehst du wie wichtig dies für mich ist? Ich möchte den Tod deines Bruders nicht herabwürdigen, ich werde mir einen Weg überlegen, wie ich seinen Tod ehren kann. Ich gebe dir mein Wort.“
Der Goblin verzog keine Miene und dennoch wusste Darkman, dass er seine Worte gut gewählt hatte. „Gut, ich werde es ihnen ausrichten. Die Frau war im Haus von Eleonora.“ Der Goblin blickte hinab auf die Frau. Ihre Augen waren verbunden worden, genauso wie ihre Arme und Beine. Ihr Mund war geknebelt. Er hatte die falsche Person zurück gebracht und seinen Bruder verloren. Darkman konnte seine Schuld später noch begleichen. Wichtig war nur, dass er den Tod seines Bruders als Verlust anerkannte und diesen bezahlen würde. Wie, das war egal.
Darkman sah den Goblin an: „Geh! Geh und berichte der Familie, dass ich heute noch kommen werde. Sollte ich noch Fragen haben, werde ich dich holen lassen.“ Seine Worte waren hart, aber nicht respektlos. Der Goblin drehte sich um, nicht ohne noch einen Blick auf die Frau zu werfen. Er empfand kein Mitleid für sie, was immer ihr Schicksal sein würde. Er grinste, während er sich zu seiner Familie aufmachte und darüber nachdachte, wie der blonden Frau wohl ein Darkman gefallen würde, dessen Zorn grade unermesslich war.
Darkman riss die Augenbinde von Isabells Kopf und sah wie ihre Augen sich angesichts seines Anblickes weiteten. „Willkommen Prinzessin, willkommen in meinem Reich.“, er machte eine ausholende Geste. „Ich weiß, ich sehe nicht aus wie ein Prinz und mein Königreich eher wie eine Ruine, aber ich habe nie behauptet, dass mein Königreich schön wäre und solltest du mir nichts nützen, dann wirst du in ihm lebendig eingemauert werden.“ Darkman lachte auf und Isabell fing an zu weinen. Ihr wurde klar, dass dies der schlimmste Albtraum ihres Lebens zu werden drohte, nur das dies kein Albtraum war.
„Wie kann ich dieses Kind sein?“, Eleonora stiegen die Tränen in die Augen. „Was soll ich denn tun? Ich bin nur ein einfaches Mädchen. Ich kann weder von einer Dimension in die nächste wechseln, noch habe ich besondere Fähigkeiten.“, sie streckte Almatea die leeren Handflächen entgegen, wie um zu zeigen, dass dort nichts war, kein Zauber, keine Magie und schon gar kein Zeichen, dass sie dieser Mensch sein sollte, von dem Almatea gesprochen hatte.
„Ihr müsst euch irren. Vielleicht ist noch ein Mensch in dieser Nacht geboren worden. Es kann unmöglich sein, dass ich das einzige Kind war.“, sie schaute Almatea hilfesuchend an.
Almatea setzte den Humpen hart auf dem Tisch, ihre Stirn legte sich in Zornesfalten: „Glaubst du nicht mir wäre es lieber, das keiner in jener Nacht sterben musste? Glaubst du nicht, dass wir alle es besser gefunden hätten, wenn die Alte sich geirrt hätte? DU bist das Kind. Wie du die Prophezeiung erfüllst, weiß ich nicht. Es hat keiner gesagt, dass du magische Fähigkeiten hättest, es hat keiner davon gesprochen, dass du es gerne machen wirst, aber dennoch bist du das Kind aus der Prophezeiung. Du glaubst, du hast das Recht wegzulaufen? Werde endlich erwachsen, Eleonora. Das Leben ist kein Spaziergang über eine sonnendurchflutete Wiese.“ Sie seufzte auf, fuhr sich mit der Hand durchs Haar und schaute traurig drein. „Mein Ausbruch tut mir leid. Komm mit!“
Almatea ließ den Humpen auf den Tisch stehen und ging die Treppe ins Gasthaus hoch. Eleonora stand von ihrem Stuhl auf und folgte ihr, Eleonoras Herz schlug heftig bei dem Gedanken, was dort alles auf sie warten könne. Sie wünschte, sie wäre zuhause, ihre Mutter würde noch leben und Isabell wäre bei ihr. Wie es Isabell wohl ging? Noch ein Leben, dass sie auf dem Gewissen hatte. Ihre Mutter, die Frau ,die sie gerettet hatte und nun auch noch ihre beste Freundin. Eleonora seufzte. Würde dieser Albtraum niemals enden? So viele Menschen waren gestorben und alle verband eine Person, sie. Sie und eine Prophezeiung. Wie konnte man nur an so etwas glauben? Sie schüttelte den Kopf, während sie die letzten zwei Stufen zum Gasthaus nahm.
Almatea ging über den Flur. Links neben Eleonora öffnete sich eine Tür. Ein Kindergesicht schaute sie an. Das Kind war schwarzhaarig so wie sie, die Augen tief eingefallen, das ganze Kind erstarrte vor Schmutz. Es trug nichts weiter als ein Hemd, das ihm erst in 3 Jahren passen würde, aber das Hemd sah aus, wie etwas, dass verbrannt gehörte. Einen kurzen Augenblick überlegte Eleonora welche Krankheiten dieses Kind wohl haben möge, welches Ungeziefer es mit sich herum trägt. Eleonora schaute dieses Kind an, nicht mal 4 Jahre alt musste es sein, so klein und so arm, sie lächelte das Kind an und sah, wie sich dessen Augen vor Schreck weiteten, es wich schnell zurück ins Zimmer und schlug die Türe zu.
„Komm, ich möchte dir jemanden vorstellen.“, Almatea war zurück gekommen und legte die Hand auf Eleonoras Schulter. „Du wirst die Familie des Gastwirtes noch morgen kennen lernen.“
Eleonora erschauerte. Die Familie des Gastwirtes? Entweder kam er mit seinem Geld nicht zurecht, oder er hatte kaum Gäste. Sie kannte zwei Gastwirtsfamilien in Altamor, aber keine von ihnen war arm. Altamor, wieder entwich ihren Lippen ein Seufzen, wie weit ihr Heimatort doch weg war. Sie ließ sich von Almatea zu der Tür ganz am Ende des Flures führen. Sie konnte hören, wie die Tür hinter ihr erneut geöffnet wurde. Spürte den neugierigen Blick des Kindes in ihrem Rücken. Sie hatte Angst durch die Tür vor ihr zu gehen, aber es gab kein zurück. Almatea umklammerte ihre Schulter so sehr, dass es weh tat. Sie konnte ihrem Schicksal nicht entkommen. Almatea öffnete die Tür.
„Willkommen in Trent mein Kind. Du hast eine lange und beschwerliche Reise hinter dich gebracht. Ruh dich aus. Dein nächster Weg wird viel beschwerlicher als der voran gegangene. Du bist die Hoffnung dieser Welt, also setzt dich hin, trinke Wasser, iss ein wenig Brot und sammle Kraft für die Aufgabe, die dir zugeteilt geworden ist.“, vor Almatea und Eleonora stand eine Alte, die nicht aussah, als hätte sie ihre 80 Jahre schon erreicht, sondern als wären ihre Enkel schon nahe dem Alter. Sie war tief gebeugt, das Haar weiß und unglaublich lang, selbst mit dem Knoten im Haar reichte es noch bis zu ihrer Hüfte hinab. Ihre Nägel, sie waren lang und gelb, an den Enden ringelten sie sich schon zu einer Schnecke zusammen. Eleonora wich zurück. Sie hatte Angst, dass die Alte sie anfassen würde. Hatte Angst vor dem, was dann passieren könnte. Das Gesicht des Muttchens war durchzogen von Falten, so viele Falten. Sie hielt sich auf einem Stock, breitete die freie Hand aus und zeigte auf ein Bett. „Setz dich! Ruh dich aus! Hab keine Angst.“, ihre Stimme passte so gar nicht zu ihrem Aussehen, sie war warm und jung und obwohl ihre Stimme klar machte dass sie kein Nein akzeptierte, hörte sie sich dennoch sehr freundlich an. Eleonora setzte sich aufs Bett und bekam sofort einen Krug mit Wasser gereicht. Plötzlich hatte sie Durst. Sie trank einen Schluck und kurze Zeit später drehte sich alles um sie herum, so lag sie auf dem Bett, ruhte sich aus, wie die Alte es befohlen hatte. „Geh Almatea, wenn sie aufwacht werde ich nach dir rufen. Ich passe schon auf sie auf. Heute abend wird ihr nichts geschehen.“, die Alte schaute liebevoll auf Eleonora und strich ihr eine Strähne aus dem Gesicht, als die Tür hinter ihr sich leise schloss.
(im Archiv gefunden und entstaubt von Xanthy)
Leave a reply