3
Mai

Bücher bitte NICHT auslagern!

   Posted by: Calisto   in Klatsch und Tratsch

Die Schreckensmeldung von Chef-Sekretärin Flummii im Forum ist eher lakonisch: „Bücher bitte NICHT auslagern! Beim Auslagern kann es passieren, dass der Inhalt verloren geht.“ Für einige Bürgerinnen und Bürger kommt die Warnung jedoch leider zu spät. Als Simplicius Simplicissimus mit der Auslieferung seines bei Adora Press neu erschienenen „ABC-Buch für die kleinen und großen Kinder Simkeas“ begann, gehörten sie zu den ersten, die sich an einem Exemplar für die Bibliothek im eigenen Hause erfreuen durften. Wer vorübergehend sein Exemplar bei Blueface eingelagert hatte, stand nun mit leeren Händen da. Die Buchdeckel mit der phantasievollen bunten Titelgestaltung waren noch erhalten. Aber der gesamte Inhalt war spurlos verschwunden.

Die Nachricht schlägt in der Stadt deutliche Wellen. Man sah Blueface mit einem in ein kränkelndes Graublau verfärbten Gesicht verstört im Lagerhaus umhergeistern. Informierte Kreise berichten, dass in der Redaktion des Boten die Druckwichtel mit aschfahlen Gesichtern entsetzt in die Kellerräume des Zeitungshauses gestürzt waren und – die Nacht durcharbeitend – Seite um Seite überprüften, ob die Archivexemplare des Boten noch vollständig vorlagen. Chalek, dem die Katastrophe zuerst aufgefallen war, informierte MasterX. Simplicius Simplicissimus begann Täubchen an seine Verlags-Kunden zu versenden. Und es bedurfte wie üblich keines Feuersteins, um die Gerüchteküche auf dem Marktplatz anzuheizen, in deren Zentrum der scheinbar niemals schlafende Blueface stand…

Die Straße „Am schiefen Apfelbaum“ (4|19) liegt eher zentral in der Weststadt Trents, aber mit guten Verbindungswegen zum Stadtkern und zu dem nach Norden zum Stadttor führenden Weg. Das allen Neugierigen und Besuchern offenstehende Haus mit dem rätselhaften Türschild „Unergründliches Obdach für Reisende“ liegt bescheiden, hinter einem alten Holzzaun verborgen, eingebettet in üppig wucherndes Grün. In seinem kleinen Gärtchen empfängt uns auf der Holzliege der Verleger Simplicius Simplicissimus zu einem vergnügten Selbstinterview bei einem, den Wetterverhältnissen vorausgreifenden Sommercocktail.

Der noch junge, aber ehrgeizige Verlag Adora Press führt als Verlagslogo ein schlichtes Dreieck, das sowohl einen charakteristischen Gipfel des Adoragebirges als auch den Großbuchstaben A symbolisiert. Im letzten Jahr bereicherte der Verlag erstmals die Bibliothek und debütierte mit einem kleinen Lyrikbändchen. Der Titel führte zwar zu Unmut bei einigen Zwerginnen und Zwergen und die Druckwichtel erklärten sich damals mit dem Protest solidarisch, aber alle aufgebrachten Gemüter konnten letztlich wieder besänftigt werden. Insgesamt verfügt Simkea über eine interessante und vielfältige literarische Kultur. Adora Press hat hier im Bereich der Lyrik seinen Nischenplatz gefunden und mit einem an die klassischen ABC-Fibeln angelehnten Werk zu Ostern seinen Beitrag für den Lesesommer dieses Jahres vorgelegt. Die freundlichen Rezensionen und ein Tipp von Lady Sharina ermutigten zum Druck einer weiteren Auflage.

Für einige Kunden ist es natürlich eine Katastrophe, dass sie jetzt nur noch über die Buchdeckel verfügen und der Inhalt gänzlich verschwunden ist. Die gute Nachricht dabei sollte aber sein, dass die Bücher völlig unbeschadet im häuslichen Buchregal eingestellt werden können und auch, dass das für alle zugängliche Bibliotheksexemplar bei Professor Bloom keinen Schaden erlitten hat. Der Verlag wird notfalls, sobald die Hintergründe und Zusammenhänge klarer geworden sind, allen Betroffenen selbstverständlich ein unbeschädigtes vollständiges Exemplar als Ersatz zukommen lassen. Bis dahin sind alle Betroffenen gebeten, sich bitte in Geduld zu üben. Alles wird gut. Aber vor der Behebung des Schadens sollten die Ursachen den Schadens eruiert und beseitigt sein. Für den Verlag selbst sei das alles keine Katastrophe, fügt der Simplex achselzuckend an. Versuch mache bekanntlich kluch. Durch Papierknappheit sei der Verlag ja ohnehin in Lieferprobleme geraten. Und schmunzelnd zitiert Simplicius Simplicissimus die alte Weisheit: „Ob gute oder schlechte Presse – Publicity ist Publicity. Hauptsache der Name erscheint in den Medien und man spricht darüber.“ Noch einen Sommercocktail?

Auf dem Weg von den Wohngebieten der Weststadt zum Lagerhaus schauen wir noch im Ratsgebäude bei Marry vorbei. Die in der Stille der Rezeption im Eingangsbereich des Hauses blühende Schönheit ist nicht nur für den neugierigen Reporter oft ein Quelle interessanter Informationen und Auskünfte über Simkeas Bewohner und das Geflüster im Ratsgebäude. Bis auf einen freundlichen Plausch ist der heutige Besuch jedoch vergeblich. Nein, sie weiß von allem nichts. Nein, sie hat auch nur die Gerüchte, aber keine Hintergrundinformationen gehört. Nein, auch nicht zufällig. Und nein, sie nimmt noch immer keine Rote Rose von mir an. Ob ich es mit einer Trollblume versuchen darf? „Versuch es doch“ antwortet sie mit einem spitzbübischen Lächeln. Und im Gehen ruft sie dem Reporter kichernd den berühmten Satz aus Wittgensteins „Tractatus logico-philosophicus“ hinterher: „Wovon man nicht sprechen kann, darüber muss man schweigen.“ Klug, aber sicher kein tauglicher Leitsatz für einen Pressemenschen und rasenden Reporter.

Zurück zum Lager. Was in den weitläufigen, stillen, dunklen Etagen des geräumigen Lagerhauses tatsächlich vorgeht ist bisher nicht herauszufinden. Papierfraß? Ist der Säuregehalt in Simkeas Papier zu hoch? Stimmt etwas nicht mit der Luftfeuchtigkeit und Lufttemperatur? Auch von einem Befall durch Bücherwürmer ist die Rede. Einige haben einen Bug, andere die merkwürdigen Schwarzen Käfer aus Gargantua Island im Verdacht. Oder haben wir überraschend eine dunkle Seite von Blueface entdeckt? Ist er nicht nur ein Sonderling sondern auch sonderbar? Hat er am Ende mit irgendeinem eingelagerten Messer die Seiten in den ihm anvertrauten Büchern herausgetrennt und mit dem Papier merkwürdige skurrile Rituale zelebriert? Oder einfach nur die Bilder ausgeschnitten? Man weiß nichts Genaues, aber die Gerüchteküche kocht so heftig wie der bisweilen vor dem Lagerhaus aufgestellte Färbebottich.

Dass Blueface selbst zu keinerlei Stellungnahme zu bewegen ist und allen Fragen des Reporters hartnäckig ausweicht kann nicht überraschen. Wortlos verschwindet er in den unbekannten Tiefen des Lagerhauses. Ganz Simkea vertraut ihm den oft nicht unerheblichen persönlichen Besitz an. Und der von allen freundlich „Blue“ gerufene verschwiegene und verlässliche Verwalter dieser Schätze lebt von dem in ihn gesetzten Vertrauen. Nun hat er ein Riesenproblem, aus dem ihm wohl nur noch MasterX heraushelfen kann.

(simsim)

This entry was posted on Dienstag, Mai 3rd, 2016 at 09:55 and is filed under Klatsch und Tratsch. You can follow any responses to this entry through the RSS 2.0 feed. You can leave a response, or trackback from your own site.

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