4
Mai

Vishvadika

   Posted by: Lady Sharina   in Schlagzeilen

Geneigte Leser,
nachdem Ihr letzte Woche ein wenig über IceT erfahren konntet habe ich mich dieser Woche wieder ganz den fleißigen Bibliothekarinnen gewidmet, deren Arbeit wir näher beleuchten wollen.
Zu diesem Zweck verabredete ich mich mit Vishvadika, die Ihr vielleicht auch schon aus dem Boten kennt, um sie zu ihrer Rolle im komplexen Gefüge unserer Hallen des Wissens zu befragen. Da mir wohl bekannt war, dass sie vorwiegend auf dem Markt zu finden ist, wo sie nicht nur arbeitet sondern auch beinahe schon wohnt, war unser Treffen für diesen Ort geplant.
Ich machte mich früh auf den Weg, als ich dann beim ersten Hahnenschrei auf dem Platz ankam erblickte ich Vishvadika auch sogleich, Klappern aus ihrem Marktstand begleitete ihr eifriges Wühlen zwischen allerlei Werkzeugen, Flaschen und Stoffrollen. Schmunzelnd betrachtete ich dies eine Weile, jedoch jederzeit bereit, eventuell herabfallende Flaschen aufzufangen, als ihr suchendes Gesicht plötzlich hinter einem gewaltigen Stapel Kleidung hervorlugte. Sie schien mich bemerkt zu haben, jedenfalls schob sie den Stapel, der mit einigen Zetteln bestückt war und offenbar auf Abholung wartete, beiseite, eilte zu mir und begrüßte mich mit einer Umarmung, die ich gerne erwiderte.

„Hallo, liebe Liala!“, strahlte sie mich an. „Einen Moment…heut ist ein stressiger Tag. Ich bin gleich für Euch da…“ Sie wühlte suchend, aber dennoch geziehlt in einem prall gefülltem Tuchbeutel. „AH…Hier ist die Fibel ja.“ Sie lächelte zufrieden in sich hinein, während sie die Fibel triumphierend hochhielt. Ich räusperte mich, woraufhin sie aufblickte, den Kopf leicht schüttelte und die Hand wieder sinken ließ. „Entschuldigt. Ich bin so weit, lasst uns doch hinüber ins Labor gehen. Ich habe noch zu tun und es lässt sich dort auch ungestörter reden als an diesem turbulenten Platz – auch wenn ich das Leben hier sonst sehr schätze. So sehr, dass ich Heimweh bekomme, sobald ich eine Nacht im Wald verbringen muss.“
Sie raffte einen Haufen Stoff zusammen, packe ihren Rucksack, in welchem ich glaubte, Glas und wer weiß was noch alles klimpern zu hören, dann folgte ich ihr die Gassen entlang bis zum Labor, wo sie ihre Sachen auf dem dortigen Tisch aufbaute. „Lasst uns beginnen“, sagte sie und hantierte mit einer Phiole und etwas mysteriösem Pulver, welches sie aus einem Beutelchen entnommen hatte.

Ein wenig irritiert und überrumpelt blickte ich sie an, für gewöhnlich verstand ich mich als treibende Kraft in den Interviews, aber nun gut, es gab schließlich für Alles ein erstes Mal. Ich durchsuchte eilig meine Notizen, dann folgte auch schon die erste Frage: „Werte Vishvadika, zunächst einmal bedanke ich mich, dass Ihr Zeit für mich gefunden habt, trotz der Woche Verzögerung durch die aktuellen Ereignisse. Beginnen wir doch gleich mit den Fragen: Wie ich von Firunja erfahren haben, seid Ihr erst später zum aktuellen Team gestoßen als die übrigen fleißigen Helferinnen – wie kam es dazu?“

Sie errötete leicht. „Nunja, ich bin zwar von Natur aus ein sehr neugieriger Mensch…“, sie unterbrach sich kurz und schaute in Gedanken versunken auf die sich allmählich rötlich verfärbende Flüssigkeit in der Phiole. „Jedoch habe ich erst vor einiger Zeit die Schätze in den Hallen des Wissens entdeckt. Und da ich, wie auch Pytron, Firunja, Elysea, Eisa und Guinevere, es nicht ertragen kann, dieses Wissen dort ungenutzt und ungeordnet zu lassen, habe ich mich ihrer Arbeit sofort angeschlossen. Dennoch experimentiere ich immer gern selbst – manchmal auch, um den Wissensschätzen der Bibliothek einen weiteren hinzufügen zu können.“ Sie lächelte versonnen. „Das erfüllt mich dann natürlich mit besonders großem Stolz. Aber auch Korrekturen sind häufig von Nöten… „, sie wiegte nachdenklich den Kopf, „Die Zeit kommt und geht und alle Änderungen, die sie bringt, müssen festgehalten werden. Ich bin froh, an solch einem Projekt teilhaben zu dürfen. Alles was ich schneidere, ist sehr vergänglich, was ich jedoch hier an Arbeit leiste, ist – mit ein wenig Glück und Sorgfalt unserer Nachkommen – für die Ewigkeit. Oder zumindest einen Zeitraum, der uns wie eine Unendlichkeit scheint.“, fügte sie noch mit einem verschmitzen Lächeln hinzu, welches sich jedoch rasch verflüchtigte, als von irgendwo hinter ihr das leise Klirren einer Phiole zu vernehmen war. Seufzend wandte sie sich um.

Ich folgte ihrem Blick und erhob mich halb, setzte meine Fragen jedoch fort, schließlich sollte dieser Artikel auch noch rechtzeitig fertig werden. „Seid Ihr denn mit Eurer Arbeit zufrieden oder gibt es etwas, was Ihr dort gerne ändern würdet?“

Sie gab es auf, die Quelle des Klirrens ausfindig zu machen und widmete sich wieder ihrer aktuellen Phiole. „Ich liebe diese Arbeit direkt am Gedächtnis unserer Zivilisation sehr… Sie ist fast schon chirurgischer Natur. Da müssen wir natürlich auch sorgfältig vorgehen. So kommt es, dass man hin und wieder mehr Einschränkungen in Kauf nehmen muss, als einem vielleicht lieb ist.“ Sie zwinkerte mir zu. „Aber dies soll dem Schutz und der Unverfälschbarkeit unseres Schützlings, des Wissens, dienen. Also richten wir uns natürlich gern danach, schließlich wollen wir nicht, dass der Patient bleibende Schäden davonträgt.“ Sie lächelte hintergründig und stellte zufrieden das nun offenbar fertige Gebräu beiseite.

Ich betrachtete dies ein wenig unwohl, Tränke waren mir noch nie ganz geheuer, und so besann ich mich wieder auf den Grund, weswegen ich hier war. „Wie und in welcher Form gestaltet sich Eure Zusammenarbeit mit den anderen?“

„Wir teilen uns die Aufgabenfelder in der Bibliothek so gut es geht ein. So versuchen wir doppelte Arbeiten zu vermeiden und einen reibungslosen Fortschritt zu garantieren. Und auch zwischendurch besprechen wir natürlich kleinere Fragen und Entscheidungen. Alles Wichtigere wird aber bei Vollversammlungen entschieden, wenn alle zugegen sind.“ Sie nickte bekräftigend.

Neugierig lehnte ich mich weiter vor. „Wie gestaltet sich denn in der Regel das Erstellen neuer Schriften, könnt Ihr uns da einen kurzen Überblick geben?“

Vishvadika dachte kurz nach, ehe sie ansetzte: „Nunja, wenn wir von neuen Herstellungsprozessen oder innovativen Produkten erfahren, die uns noch unbekannt sind, dann forschen wir zunächst gründlich, teils selbst, teils durch Informanten aus den betreffenden Bereichen, um an detailliertere Informationen zu kommen. Sobald wir genügend wissen, schreiben wir dann Notizen und ordnen diese Schriften in der Bibliothek ein, damit einem jeden Bürger das Wissen zugänglich ist. Wissen wir noch nicht genügend, haben wir ein internes schwarzes Brett, auf dem noch nicht vollständige Notizen aufgelistet sind. Diese müssen dann erneut überarbeitet werden, sobald Informationen zu Verfügung stehen.“ Sie holte tief Luft und lächelte dann leicht. „Wie Ihr seht, ist das alles ein komplexer Prozess…“

Ich nickte zustimmend. „Das klingt in der Tat nach keiner leichten Aufgabe – wie oft kommt Ihr und das gesamte denn Bibliotheksteam zusammen, um aktuelle Neuerungen zu besprechen?“

„Dies wird meist von einem von uns vorgeschlagen, sobald es notwendig erscheint, etwas zu besprechen. Wir treffen uns in der Regel nicht, wenn es keinen Grund dazu gibt. Dazu haben wir in der Bibliothek viel zu viel zu tun…“ Sie bewegte den Kopf wage in Richtung Rathaus und schaute pflichtbewusst drein.

„Habt Ihr überhaupt noch einen Überblick, wie viel Zeit in die Pflege der Bibliothek fließt?“

„Oh…Zeit sollte man nicht zählen, sondern leben.“ Sie lachte bei diesen Worten leise auf.

Ich musste ebenfalls schmunzeln und nutzte den kurzen Moment, um einen erneuten Blick auf meine Notizen zu erhaschen. „Habt Ihr den Eindruck, dass die so sorgfältig gepflegten Hallen des Wissens oft von den Bürgern aufgesucht werden oder wünscht Ihr Euch dort mehr Besucher?“

„Ich hoffe, dass die Bürger sich immer stärker an die Nutzung des geschriebenen Wissens gewöhnen werden. Sehr häufig höre ich Fragen in den Straßen, die mit einem Blick in die Bücher geklärt wären. Aber ich will mich nicht beklagen…Schließlich ist mündlich überliefertes Wissen der Ursprung des Geschriebenen Wortes.“ Sie legte nun die alchemistischen Gerätschaften beiseite, setzte sich im Schneidersitz auf den Boden und griff zu Nadel und Faden. Ehe ich die nächste Frage stellen konnte, war bereits ein gutes Stück des, wie ich vermutete Umhangs, fertig gestellt.

„Fühlt Ihr Eure Zusammenarbeit mit Firunja, Elysea, Eisa und Guinevere in irgendeiner Form durch die Mitarbeit beim Boten beeinflusst?“

„Beides ist natürlich redaktionelle Arbeit und wird von dem Wunsch getragen, Menschen Wissen und Informationen nahe zu bringen. Gut ist, dass ich mein Wissen über neue Errungenschaften unserer Tage immer gleich für beides nutzen kann – sehr effizient eigentlich, so eine Doppelnutzung.“ Mein Blick fiel erneut auf ihre Hände, die sich so flink und fleißig bewegten, dass ich kaum die Nadel ausmachen konnte. „Ich hoffe, dass ich beiden Seiten gerecht werde.“

„Gibt es irgendwelche persönlichen Wünsche, die Ihr für Eure Arbeit und das weitere Bestehen unserer Welt hegt?“

Ein vieldeutiges Lächeln trat auf ihre Lippen. „Ich hoffe, dass wir die wundersame Welt der Alchemie weiter erforschen werden, daran liegt mir viel. Auch wenn ich zugeben muss, dass es mich zuweilen…“ Sie hielt kurz inne, offenbar auf der Suche nach den richtigen Worten. „… ein wenig gefangen nimmt. Gifte und dunkle Tränke verändern, scheint es mir, den Charakter, wenn man sich zu lang mit ihnen beschäftigt.“ Sie schaute etwas verlegen und schob den Rucksack mit den Phiolen unbewusst ein Stück beiseite.

„Was möchtet Ihr unseren Bürgern mit auf den Weg geben?“

„Ich empfehle den Bürgern, ihre Neugier und ihren Wissensdurst zu pflegen. Und dann und wann ein wenig Zeit in der Bibliothek zu verbringen.“ Sie zwinkerte mir bei diesen Worten zu.

Etwas schwerfällig von den ganzen Dämpfen um mich herum erhob ich mich und umarmte Vishvadika rasch. „Dann danke ich Euch vielmals für dieses Gespräch und weiterhin viel Erfolg für Euch und die anderen eifrigen Schreiberinnen!“

Sie erwiderte diesen Gruß mit einem vollendeten Knicks, der mich vage an Maddie Hayes erinnerte, die in der Kunst des Knicksens doch recht bewandert schien. „Ich danke Euch, Liala…Wir sehen uns in der Redaktion, meine Liebe.“

Als ich das Labor verließ, winkte Vishvadika mir noch nach, was ich erwiderte. Dennoch muss ich ehrlich zugeben, dass ich froh war, diese dunklen Hallen zu verlassen, die sonst leicht muffige Luft innerhalb der Stadt kam mir im Vergleich dazu wie frische Bergluft vor.
Ich danke für Eure Aufmerksamkeit, werte Leser, und verabschiede mich für diese Woche.
Liala

In der nächsten Ausgabe erfahrt Ihr mehr über eine weitere Mitarbeiterin der Bibliothek, Elysea.

This entry was posted on Montag, Mai 4th, 2009 at 09:59 and is filed under Schlagzeilen. You can follow any responses to this entry through the RSS 2.0 feed. Both comments and pings are currently closed.

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