Die Vorgeschichte
Alles begann damit, dass Ratti beim Herrn von Maretan anfragte, ob er ihr Fibeln verkaufen würde. Man disputierte hin und her, warf mit Zahlen um sich und mit Worten … der eine fein hochgeschraubt gewählt, die andere frei Schnäuzchen immer drauf los. Von einer Dukate war die Rede und der dafür zu erstehenden Menge an Ware. 33 Fibeln wollte der Meistergoldschmied für die Summe hergeben. Ratti versuchte ein wenig mehr herauszuschlagen … wer würde dies nicht auch versuchen?
Wie nun der Handel im Einzelnen verlief kann an dieser Stelle nicht mehr nachvollzogen werden, da der stille Beobachter andauernd einnickte. Es kann lediglich vermeldet werden – und dies allein ist von späterer Bedeutung – dass man handelseinig wurde und Geld und Fibeln den Besitzer wechselten. „Also Herr von und zu… danke für den Handel“, erklang es erfreut von Ratti.
Neben der Ware wechselten auch die Worte weiter hin und her, ging es nebenbei noch darum, wie der Herr von Adel angesprochen werden sollte oder wollte. Der geduldige Leser wird sich vielleicht noch an eine der vorangegangenen Ausgaben erinnern, in der das Thema bereits umfänglich erörtert wurde.
Hier nur kurz ein weiteres Detail:
Nachdem Ratti die erstandenen Fibeln in der Tasche verstaute, kramte sie sogleich Zettel und Stift hervor um eine Notiz anzufertigen. ‘Alfred nur noch mit von und zu anreden sonnst isser traurig!‘ Entweder gab Mama von Maretan ihrem Sprössling im Kleinstkindalter so viel Karotten zu essen, dass die Sehschärfe sich besonders gut ausbilden konnte oder der edle Herr vergaß in dem Moment seine gute Kinderstube, machte einen langen Hals und linste auf den Notizzettel des kleinen Nagers. Anders ließe sich nicht erklären, wie er auf das Geschriebene eingehen konnte. „Werte Ratti, ein einfaches „Herr von Maretan“ würde Ihm schon ausreichen. Könnt Ihr dies ebenfalls auf Eurem Zettel notieren?“
An dieser Stelle zeigte nicht nur die Gestaltwandlerin Nillicwyed ihr neues, fettes Mopsgrinsen, nein auch die bis dahin stille Beobachterin mischte sich kurz ein, einfach um auszuprobieren, wie weit man mit der korrekten Ansprache bei dem Herrn käme. In einer kleinen Redepause der beiden Hauptakteure am Markt, erklang plötzlich ein verlegenes Räuspern, nur um auf sich aufmerksam zu machen. „Wenn ich das Gespräch kurz stören darf … Euer Hochwohlgeboren von Maretan? Verkauft Ihr wohl auch schnöde Kupferringe?“ Entschuldigung, überkorrekte Anrede …das sollte reichen um eine vorteilhafte Handelsgrundlage sicherzustellen. Der Angesprochene reagierte auch prompt und nickte nonchalant der potentiellen Kundin zu. „Selbstverständlich bietet Er als von der Goldschmiedezunft anerkannter Meister auch Kupferschmuck an, ebenso wie Schmuck aus Edelmetallen.“
„Ein simpler Kupferring würde meiner Wenigkeit vollkommen genügen. Weib soll sich halt nicht über den Stand mit teurem Zierrat schmücken.“ Mit diesen Worten sollte eigentlich klar gemacht werden, dass man beim wenig edlen Metall bleiben und keinesfalls in höhere Preiskategorien wechseln wollte. Ob die chancenlose Aussicht auf einen lukrativen Handel dem Herrn sogleich die Sprache verschlug oder er sich gedanklich erneut auf das Rededuell mit dem Rattentod vorbereitete, bleibt unklar. In die entstandene, minutendauernde Stille hinein ertönte zaghaft ein Stimmchen. „Ich komme ein andermal darauf zurück, da ich dreister Weise in ein Gespräch geplatzt bin. Verzeiht und einen schönen späten Abend noch.“ Brav wurde geknickst und sich aus dem Staub gemacht, während man am Markt weiter der Diskussion um die korrekte Anrede frönte.
Am nächsten Tag:
Nein … abermals in ein Fettnäpfchen treten wollte der kupferfarbene Lockenkopf nicht. Daher blieb die junge Leimoniade auch abwartend am Rand des Marktplatzes stehen und schaute zum Herrn von Maretan herüber. Erst als sie sich sicher war nicht zu stören, wagte sie ihn anzusprechen. „Hochwohlgeboren? Wäre es möglich auf Euer gestriges Angebot zurückzukommen?“ Der Angesprochene nickte. „Selbstverständlich, werte Maeve. Wenn Ihr einen Moment warten möchtet, dann würde Er ein paar Exemplare herholen.“
Erleichtert, dass der Adlige auch an einem Sonntag seinem Beruf nachging, wurde signalisiert, dass man nicht gleich wieder davonflitzte. „ Ich würde Euer Hochwohlgeboren am Sonntag doch nie zur Eile antreiben. Aber bitte … kein hochglanzpoliertes Silber.“
Es dauert nicht lange, bis der Goldschmiedemeister zurück am Markt erschien. Auf einem Tischchen entrollte er ein Samttuch, auf welchem diverse Ringe festgesteckt waren. Auf die Kupferringe deutend meinte der Herr: „Werte Maeve, dies wäre ein Ring aus Kupfer, wie Ihr zuerst erwähntet.“
Dass es sich um besagtes Metall handelte, war unschwer zu erkennen. Nach eingehender Betrachtung, schüttelte die Nymphe unzufrieden den Kopf. „Geht das auch bissl mehr kupferroter und weniger blass? Und mit bissl Schnörkelchen?“
„Das wäre alles kein Problem, werte Maeve. Als ein Meister Seines Fachs kann Er die Oberflächenoptik anpassen“, beeilte sich der hohe Herr seine Kundin zufrieden zu stellen, was mit den nachfolgenden Worten indes völlig daneben ging. „Euch würde jedoch auch ein Goldring gut stehen, einer wie dieser vielleicht?“ Noch ein Stück weiter wurde das Tuch aufgerollt, so dass ein Goldring zum Vorschein kam. Der wiederum glitzerte so sehr in der Sonne, dass nicht nur eine Elster auf dem Dach der Botenredaktion aufmerksam wurde, sondern auch zwei anwesende Damen. Sogleich ging das Tuscheln und Gerüchteverbreiten los. „Ob Maeve wohl Hochzeitspläne hat?“ erging die Frage von Cleo an Madanja.
Zunächst ungeachtet der Tuschelei als auch des Goldringes, klatschte Maeve erfreut in die nicht gerade sauberen Hände und tippte auf einen besonders grazilen Ring in der ihr genehmen Kupferfärbung. „Fein fein … dann bitte mit einer zarten Blumengravur … ja?!“ Dann jedoch ein Stutzen, gefolgt von schroffen Worten. „ Ehm … nee nee ….bloß nie wieder einen Goldring! Bleibt mir ja weit weg damit!!!“ Trotzig stapfte die alleinerziehende Mutter einer kleinen Tochter mit dem Fuß auf. „Kupfer …simples, meinem Stand angebrachtes Kupfer … mehr nicht.“
Lachen war zu nernehmen. „Hört sich nicht so an“, beantwortete die violettäugige Bergnymphe die zuvor gestellte Frage. „Ich hätte mich auch recht gewundert“, entgegnete grinsend die hochgewachsene Schmiedin. Sich an die Schmollende wendend wurde beschwichtigend hinzugefügt: „Und es korrespondiert herrlich mit deiner Haarfarbe.“ Zu spät der schmeichelnden Worte, Maeve funkelte sie bereits nicht eben erfreut ob des Gesagten an. „Maeve, das war eher ein sympathischer Ausdruck der Teilnahme… kann dich doch selbst zu gut verstehen.“ Das wiederum verstand die nur einmal verheiratete Wiesennymphe ganz und gar nicht. Was wollte die in eigenen Hochzeiten erfahrene Cleo ihr damit zu verstehen geben? Irgendwie widersprach sie sich.
Zum darüber nachgrübeln blieb indes keine Zeit. Der Herr von Maretan rückte wieder in den Focus des Geschehens, der den Goldring inzwischen abgedeckt hatte. „Mit Gold habt Ihr wohl schlechte Assoziationen. Nun gut. Also ein Kupferring mit Blumengravur?“ Dankbar, dem unerfreulichen Thema zu entgehen, wurde der Kaufwunsch bestätigt. „ Japp … bitte nur einen kräftig kupferroten Ring mit Blümchengravur. Malven … wenn Euer Hochwohlgeboren das hinbekommt.“
Ein kurzes Zusammenrechnen von Arbeitsstunden, Material, Lohn und Extrawunsch … dann präsentierte der Goldschmiedemeister, der auch mit Kupfer umzugehen wusste, die Rechnung.
„Das wären dann 10 Heller insgesamt, werte Maeve. Selbstredend mit einer Malvengravur.“
Ohne auch nur einen Ton von sich zu geben, klappte der Mund der Kundin auf und verharrte so, während die bernsteinfarbenen Augen ungläubig auf die Rechnung starrten. „Eieiei …“, erklang es nach einem Moment der Besinnung. „Ihr seid echt ein teurer Handwerker. Na gut …aber wehe da ist auch nur ein kleiner Kratzer dran.“ Aus der Geldkatze wurde ein Silbertaler hervorgekramt, einmal kurz auf ihn gespuckt und ordentlich blank poliert, eh er den Besitzer wechselte.
Ohne mit der Wimper zu zucken, nahm der Herr von Maretan das Geldstück entgegen. „ Er verspricht Euch, dass Ihr nicht eine Spur etwas anderem außer der Gravur erkennen werdet, werte Maeve. Dafür steht Er mit Seinem Namen.“
Mit der Übergabe des Ringes an seine neue Besitzerin erfolgten noch ein paar Floskeln der Höflichkeit. „Er dankt Euch ebenso, werte Maeve und hofft, dass Er auch in Zukunft Euren Schmuck herstellen kann.“ Den Ring in der einen Hand, in der anderen die Rechnung, beides miteinander vergleichend und abwägend, wurde ein Entschluss gefasst. „Mal sehen … dann kauf ich aber nicht wieder an einem Sonntag. Sonntagszuschläge kann ich mir nämlich nicht immer leisten.“
Herr Alfred von Maretan wäre ein schlechter Händler, würde er nicht versuchen jeden Kunden zu halten. „Und falls Ihr doch etwas anderes als Kupfer wünscht, kann Er Euch auch in diesen Fragen weiterhelfen.“ Wie der Teufel, der das Weihwasser fürchtet, setzte Maeve zur Flucht an. „Neeeeeeeeein …. kein Gold“, war alles, was man von ihr noch hörte.
Und die Moral von der Geschichte: Gute Umgangsformen und eine korrekte Anrede erleichtern einem nicht immer den Handel, es kann durchaus nach hinten losgehen.
(Maeve)