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Jun

Fortsetzungsgeschichte von Dicke Fee, Folge 8

   Posted by: DickeFee   in Es war einmal...

 

Das nächste, was Eleonora sah, waren Stühle und Tische. Es sah aus wie eine Kneipe. Eine dunkle, leere Kneipe, leer bis auf den Wirt, der Almatea zunickte. Almatea nickte zurück: „Gibst du uns bitte zwei Met?“, fragte sie den Wirt in einem Ton, der jedem sofort klar machte, dass die zwei sich nicht nur oberflächlich kannten. „Möchtest du einen Humpen Met?“, Almatea schien erst jetzt auf den Gedanken gekommen zu sein, dass Eleonora vielleicht kein Met trank. Aber Eleonora war grade alles egal, der Schock saß noch zu tief, sie wollte Antworten und es war ihr nicht wichtig, welches Getränk dabei vor ihr stehen würde.
Die Kneipe war durch den vollen Mond, der durch die Fenster schien, gut zu überblicken. Der Wirt ging hinter den Tresen und kam mit zwei Humpen Met zurück. Almatea und sie setzen sich an einen der Tische. „Bitte, geh! Schau nach, ob Goblins durch die Stadt streifen. Hör dich vorsichtig um, ob unsere Ankunft bemerkt worden ist. Wir müssen vorsichtig sein.“ Almatea klang besorgt, sie seufzte und schaute dem Wirt hinterher, der immer noch schweigend aus der Kneipe verschwand.

Der Met war noch warm, als Eleonora ihn an die Lippen hob. Er schmeckte süß und sobald sie den ersten Schluck getan hatte, merkte sie, wie sich die Wärme in ihrem ganzen Körper ausbreitete. Wieder rannen Tränen ihr Gesicht herunter. Der ganze Schmerz des vergangenen Tages, der zurückliegenden Stunden brach aus ihr heraus. Sie nahm noch einen tiefen Schluck. Sie nahm warh, dass der Met ihr in den Kopf stieg, ihre Gedanken benebelte, aber sie wollte Antworten erhalten, also zwang sie sich, den süßen Trank auf den Tisch zu stellen und rührte ihn nicht mehr an. Sie wollte verstehen, was hier vor sich ging, verstehen, warum grade ihr so viel Unglück zuteil wurde. Sie blickte durch Almatea hindurch an die Wand, ohne wirklich etwas anzuschauen. Ihre Gedanken überschlugen sich. Sie zwang sich Almatea anzublicken.
Almatea schaute besorgt: „Alles in Ordnung?“ Eleonora seufzte tief: „Wie sollte etwas in Ordnung sein? Meine Mutter ist tot, meine beste Freundin verschleppt. Furchtbare Kreaturen, Goblins hast du sie, glaube ich, genannt, brechen in unseren Hof ein und nun bin ich Gott weiß wo.“ Sie sah verzweifelt aus, klang mit einem mal viel älter als noch vor ein paar Tagen und fühlte sich, als sei sie um Jahrhunderte gealtert. „Was ist hier los Almatea? Sag mir, was hier passiert.“ Ihre Augen füllten sich wieder mit Tränen. Bittend schaute sie die einzige Person, der sie wohl oder übel vertrauen musste, an.
Almatea fuhr sich durchs Haar und biss auf ihre Unterlippe, sie blickte auf das junge Mädchen. Ob sie es verkraften würde, die ganze Wahrheit zu erfahren? Ob sie einen Fehler begonnen hatte, sie zu kontaktieren? „Eleonora, ich weiß, dass dies alles schwer für dich sein muss. Wo fange ich bloß an? Bei deiner Geburt? Bei der Last, die dir schon damals auferlegt wurde? Früher, bei dem Anfang allen Übels? Bei deinen Eltern? Wenn es doch nur eine Antwort gäbe, welcher Anfang der richtige ist. Welcher Anfang dir das Verstehen möglich macht. Selbst wir, die schon seit Jahren von dir wissen, von deinem Schicksal, selbst wir wissen oft nicht genug. War es richtig von mir, dich zurück zu holen? So nah an den Feind? Irgendwie muss sich die Prophezeiung erfüllen, aber bist du schon bereit dazu?“ Wieder seufzte Almatea auf, aber diesmal klang es, als würde das Leid der ganzen Welt auf ihren Schultern lasten.
Im Nu war Eleonora wach, jede Verzweiflung wie weggewischt. Sie verstand kein Wort von dem was Almatea sagte, aber allein ihre Worte machten ihr klar, wie wichtig sie war.
„Mir ist egal, wo du anfängst. Ich möchte nur verstehen.“, erklärte sie und straffte ihre Schultern. „Von welcher Prophezeiung sprichst du? Welcher Feind? Du kanntest meine Eltern? Wo sind wir hier?“ Ihre Neugier brach sich Ihre Bahn.
Almatea lächelte schwach: „Gut, dann will ich dir alles erzählen, alles was ich weiß.“

„Dies hier ist Simkea. Die Stadt, in der wir sind, nennt sich Trent. In Simkea wurdest du geboren. Die Welt, die du kennst, ist eine von vielen möglichen Dimensionen und auch wenn du es für unwahrscheinlich hälst, dass es so etwas gibt, glaube mir, ich habe viele Dimensionen gesehen, denn ich bin eine Dimensionengängerin.“ Almatea seufzte und nahm noch einen tiefen Schluck ihres Mets. Der Humpen war nun leer und Eleonora schob ihr ihren zu. „Deinen Vater kenne ich nicht. Ich weiß aber, dass er lange vor deiner Geburt bei der Jagd ums Leben kam. Deine Mutter kannte ich nur oberflächlich. Sie war eine wunderbare Frau, nach dem Tod deines Vaters verdiente sie sich ihren Lohn auf dem Gutshof, wo sie sehr gute Arbeit leistete. Sie war ein wunderbarer Mensch und hübsch, du siehst ihr sehr ähnlich,“ sie lächelte Eleonora an. Es war ein schiefes Lächeln, aber Eleonora wurde dennoch warm bei dem Gedanken, dass sie ihrer Mutter ähnlich sein konnte, einer Frau, die man als wunderbaren Menschen bezeichnete.
Wieder seufzte Almatea auf: „Wir Dimensionengänger sind sehr feinfühlig, was bestimmte Dinge angeht. Schon weit vor deiner Geburt ahnte ein jeder von uns, dass etwas Großes auf uns zukommt. Etwas, das die Welt verändern würde. Seit Jahren schon geht es den Menschen in Simkea schlecht. Sie leiden. Sie haben den Frohsinn verloren und werden von Goblins unterjocht. Am schlimmsten trifft es bisher Trent. Kein Mensch weiß genau, wie er es anstellte, aber jeder kennt den Namen des Mannes, der ihr Lachen stahl und sie in einer Welt voller Grau zurück ließ. Darkman! Er ist der Anführer einer ganzen Horde Goblins, die dafür sorgen, dass wir nachts nicht mehr vor die Tür gehen, er vereinnahmt Gelder für sich, die für den König bestimmt sind und zwingt uns diese zu ersetzen. Er taucht nirgendwo selbst auf. Immer schickt er seine Goblins. Keiner weiß wie er aussieht, Darkman ist wie ein Schatten. Überall hat er seine Spione, man ist sich nicht mehr sicher wem man trauen kann. Es ist ein Leid. Aber schlimmer ist, dass die Menschen nicht mehr in der Lage sind zu lachen. Nicht in der Öffentlichkeit, nicht Zuhause. Seit nunmehr 30 Jahren ist das so. Wir werden alle krank Eleonora, viele sind schon gestorben. Alte, Junge, Kinder. Es wird manchen erst klar, was wichtig ist, wenn man es verloren hat. Lachen bedeutet Leben und ohne unser Lächeln sind wir dazu verdammt in einer Hölle aus Gleichgültigkeit zu leben. Egal was kommt. Es wird nichts Gutes sein.“
Almateas Augen blickten voller Trauer auf Eleonora: „Ich weiß, dass du das nicht verstehst. Du hast sie nicht gesehen. Die Einwohner dieser Dimension sind schlimm dran. Wir Dimensionengänger sind von diesem Unheil nicht betroffen, aber wir leiden mit diesen Menschen. Wer immer nach Trent kommt, verfällt der Gleichgültigkeit, inzwischen ist fast ganz Simkea betroffen. Kannst du dir eine Welt ohne Lachen vorstellen? Eine Welt, in der keiner lächelt?“ Eleonora schüttelte den Kopf, ihr Mund war ganz trocken. Plötzlich wünschte sie sich einen Schluck Met und als hätte Almatea ihre Gedanken erraten, reichte sie ihr den Humpen.
„Eine Welt ohne Lächeln, ohne Lachen ist eine arme Welt. Wir brauchten lange um zu erkennen, dass das Übel in Trent begraben liegt. Wie es zustande kam? Frag mich nicht. Wir haben alle keine Ahnung. Seit einiger Zeit kommen nur noch selten Händler nach Trent. Die anderen Händler haben Angst, ebenfalls solch tiefer Depression zu verfallen. Eltern von außerhalb erzählen ihren Kinder Gruselgeschichten über Trent, aber das Unheil verbreitet sich unaufhörlich.“
Almatea griff wieder nach dem Humpen. Sie leerte ihn in einem Zug, stand auf, ging zur Theke und füllte ihn neu. Als sie zurückkam, setzte sie sich nicht mehr hin. Sie stand vor dem Kamin, schaute ins Feuer und sprach mehr zu sich als zu Eleonora: „Wie brennt man eine Wunde aus, von der man nicht weiß, wo sie liegt? Ein Monster, von dem man nur gehört, das man aber noch nie gesehen hat?“, sie seufzte. „ Wie schon gesagt, lange vor deiner Geburt spürten wir einen Wandel. Etwas Großes, das unsere Welt verändern würde. Eine Woche vor deiner Geburt kam eine alte Dame zu unserem Zirkuszelt. Sie sprach nicht, schaute nur. Ihre knochigen Finger, ihre langen Nägel, sie war leicht gebeugt und stützte sich auf einen Stock. Ein Muttchen von mindestens 80 Jahren. Sie hob ihren Zeigefinger, tippte mit ihrem langen Nagel auf meinen Umhang und sprach: „Zwei Frauen werden sterben am Tag des schwarzen Mondes. Du kennst sie beide. Die eine wird ein Kind zur Welt bringen und dafür ihr Leben durch fremde Hand lassen. Die andere habe ich beauftragt, das Kind zu dir zu bringen, damit du für seine Sicherheit sorgst.“ Kannst du dir vorstellen, wie erstaunt ich war? Ich sah sie an und fragte, warum die andere Frau stirbt und sie erklärte mir, dass sie bei der Flucht sterben würde. Der Flucht, die sie veranlasst hat. Immerhin sollte diese Frau das Kind zu mir bringen. Beide sollte ich kennen. Mir stockte damals der Atem. Dieser Frau war es ernst, kein Zweifel. Sie wusste, wovon sie sprach. Ich fragte sie, warum sie die Frau mit dem Kind zu mir schickt, wenn sie weiß, dass die Frau dabei sterben würde und sie starrte mich böse und eindringlich an, angesichts meines Zweifels über ihr Tun und Handeln. „Dieses Kind ist wichtiger als alle Menschen, wichtiger als du, wichtiger als ich und erst recht wichtiger als die zwei Frauen.“ Ich bat sie, mir das zu erklären, wusste aber im selben Moment, dass mir nun das Wissen zuteil werden würde, mit dem ich das Gefühl etwas Großes käme auf uns zu, erklären könne. Sie erzählte mir also von der Prophezeiung: Ein Kind wird geboren in einer mondlosen Nacht. Ein Kind, zu binden was schon ewig getrennt, ein Kind, den Frieden zu bringen, wo Hass und Lüge die Flüsse und Felder vergiftet, seit Anbeginn der Zeit.“ Almatea drehte sich zu Eleonora um.
„Dieses Kind bist du Eleonora!“

(im Archiv gefunden und entstaubt von Xanthy)

This entry was posted on Dienstag, Juni 13th, 2017 at 09:40 and is filed under Es war einmal.... You can follow any responses to this entry through the RSS 2.0 feed. You can leave a response, or trackback from your own site.

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