12
Aug

Neulich bei Reto (1)

   Posted by: Maddie Hayes   in Geschichten, Gedichte und Musikalisches

Die Sonne schickte ihre letzte Strahlen über die Dächer von Trent, umspielte noch kurz die Zinnen des Rathauses und blickte ein letztes Mal hinab auf das bunte Treiben am Markt, bis sie schließlich mit einem goldenen Glanz hinter der Taverne verschwand. Die Dämmerung legte sich auf das Land und ließ die bunten Farben der mit den Winden tanzenden bunten Luftballons verblassen. An ihre Stelle traten die langsam empor schwebenden beleuchteten Lampignons, in deren Herzen das Feuer brannte wie in den Herzen all der vielen Simkeaner, die schon mehr oder weniger lang dieses Land in ihr Herz geschlossen und zu ihrer neuen Heimat gemacht hatten.

Dem goldenen Glanze folgend war ein Augenpaar vom Markt mit einem weit in unerkennbare Ferne gerückten Blick an der schmalen Gasse hängen geblieben, die von dem sonst so lauten und von geschäftigen Treiben beseelten Platz zur Taverne führte. Schon lang hatte sie, ganz untypisch für sie, den Gesprächen, dem neckenden Geplänkel und den Geschäften um sie herum keine Beachtung mehr geschenkt, zu tief war sie versunken in ihren Gedanken und Erinnerungen. Mehr aus den Augenwinkeln denn bewusst hatte sie eine leichte Bewegung in der Gasse wahr genommen. Einem Schemen gleich schien dort eine ihr so wohlbekannte Gestalt den Weg zur Taverne zu finden. Entschlossen erhob sie sich und ohne eines weiteren Grußes schritt sie vom Mark, entlang der windschiefen Häuser durch die engen Gassen bis sie schon nach wenigen Schritten die Tür der Taverne vor sich sah. Nur einen Wimpernschlag lang schien sie zu zögern, doch dann trat sie entschlossen durch die Tür hinein in die Schankstube. Ihr Blick schweifte durch die dämmrige Stille bis er schließlich an der Theke eine Gestalt ausmachte. Als sie näher kam, konnte sie an dem Lächeln, das über sein Gesicht zog, erkennen, dass auch er sie bemerkt hatte. „Hallo mein Abendstern,“ hauchte sie ihm sanft ins Ohr. „Meine geliebte Sternschnuppe…“ Der Angesprochene drehte sich herum, zog sie an sich und küsste sie innigst. „He ihr Zwei! Sucht euch ein Zimmer!“ Mit einem Lachen tauchte plötzlich der Kopf Lialas hinter der Theke auf. „Ist ja fast so schlimm wie früher!“ Elegant schwang sie sich unter den missbiligenden Blicken des Schankwirts zu den Beiden hinüber. „Tja, nur heute hätten wir sogar ein Haus, oder vielmehr zwei“, grinste sie zurück. „Stimmt,“ warf Stenophrates, der sie noch immer in seinen Armen hielt ein, „als wir hier ankamen, gab es noch nicht einmal mehr Bauplätze.“ „dafür ist die Welt heute viel komplexer geworden und die Neuen haben es nicht immer einfach, sich darin zurecht zu finden.“ Erstaunt drehten sich die Köpfe. Keiner der drei hatte gemerkt, wie sich Jim der Siedler zu ihnen gesellt hatte. „Na, das wird ja richtig kuschelig hier.“ Ein breites Grinsen huschte über ihr Gesicht. „Traviadingensbumsens, trab mal an, wir brauchen was.“ „Hab ich schon versucht.“ Liala zuckte mit den Schultern. „Die scheint heute frei zu haben. Darum hab ich ja da,“ sie zeigte hinter den Tresen, „mal eben nachgeschaut, ob Reto was versteckt.“ „Ich könnte Milch anbieten? Guten Abend.“ Aus dem Halbdunkel löste sich eine zarte Gestalt, fest in ihren Umhang gehüllt, den Hirtenstab in der Hand. „Ich glaube fast, den meisten von uns ist heute nach etwas anderem Firunja.“ Ein Anflug von Melancholie mischte sich in ihr Lächeln, als ihr Blick zur Tür glitt, die gerade ins Schloss fiel. „Und wie es aussieht, sind wir nicht die einzigen.“ Ihrem Blick folgend, wandten sich die Anwesenden zur Tür. „Werte Lady, werte Dame!“ Jim der Siedler machte eine leichte Verbeugung. „Willkommen bei unserem kleinen Stelldichein.“ Er rückte zwei Hocker zurecht und machte eine einladende Geste. „… beim Zechen der Alten könnte man auch fast schon sagen.“ Liala kicherte. „Heda, Ich bin nicht alt,“ ein schelmisches Grinsen zuckte über ihre Lippen, „wobei, alt…“ Sie knuffte Liala in die Seite und zeigte mit einer Kopfbewegung auf die Ratsdame Pytron, die sich gerade auf einem der von Jim dargebotenen Plätze niederließ. Ihr leichtes Fauchen in die Richtung der kichernd die Köpfe zusammensteckenden Frauen ließ nicht erkennen, ob sie die Bemerkung gehört hatte oder nicht. „Retoooooo! Ne Runde für alle!“ ertönte Stenophrates Stimme. Acht Humpen krachten auf die Theke. „Zählen ist nicht deine Stärke oder?“ Stenophrates schaute in die Runde und schob jedem einen Krug zu. Während Firunja und Pytron dezent ihre Krüge ein wenig zur Seite schoben, griffen die anderen freudig nach dem Humpen der goldgelben Flüssigkeit. „Warte mal,“ Lady Sharinas Blick war in der hinteren Ecke des Tresens hängen geblieben. „Vielleicht hat er sich gar nicht verzählt.“ Sie kniff die Augen ein wenig zusammen, als könnte sie so besser ausmachen, was oder vielmehr wer sich dort im Halbdunkeln verbarg. „Marese? Bist du das?“ Langsam erhob sich die Gestalt und je mehr sie aus den Schatten heraustrat, desto klarer zeichneten sich die wilden Zöpfe, die von Wind und Wetter in den letzten Jahren fast noch krauser geworden zu sein schienen, ab. Fast unverändert jedoch schien ihr sanftes Lächeln, welches ihre freundliche Zurückhaltung immer begleitet hatte. Mit einem schlichten „Hallo“ gesellte sie sich zu den anderen und dankte mit einem Nicken für das dargebotene Bier.

„Was haben wir nur ohne die Taverne gemacht!“ „Gearbeitet!“ Ein kurzes Lachen erfüllte den Raum. „Wisst ihr noch, wie das war, als wir hier damals ankamen?“ Maddie blickte in die Runde.

(Fortsetzung folgt)

This entry was posted on Montag, August 12th, 2013 at 09:59 and is filed under Geschichten, Gedichte und Musikalisches. You can follow any responses to this entry through the RSS 2.0 feed. Responses are currently closed, but you can trackback from your own site.

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