Lange saß sie noch auf dem Baumstamm und überdachte die unerwartete Begegnung mit dem Ritter. Sollte sie wirklich kämpfen lernen? Beim Bäume fällen fehlte ihr nie der Mut, warum also beim Kämpfen?
Seine Frage „Wollt Ihr immer vor einem Wurm zurückweichen?“ ging ihr nicht aus dem Kopf. Sie wusste, dass es stimmte, doch dauerte es einige Zeit bis sie es sich selber ganz eingestanden hatte.
So beschloss sie letztlich ihre gefällten Baumstämme zu Holz zu zersägen und dieses wie immer nach Trent zu bringen. Wenn sie dann schon in der Stadt war, konnte sie einen Waffen- und Rüstungsschmied aufsuchen und sich unverbindlich umgucken.
Zufrieden mit diesem Entschluss begab sie sich zum Schlafen in ihren einfachen selbst errichteten Unterstand.

Wenige Tage danach hatte sie eine ansehnliche Anzahl an handlichen Stücken Holz zugesägt. So packte sie am nächsten Morgen zusammen und begab sich auf den Weg nach Trent.
Hier konnte sie auch recht bald ihre Ware auf dem Markt an eine Köchin veräußern. Mit etlichen Hellern im Geldbeutel schlenderte sie an den vielen Buden, Ständen und Markttischen vorbei. Wie immer gab es allerlei feine Ware, duftende warme und kalte Speisen und Getränke und vieles mehr, was eben in einer Stadt benötigt wurde. Sie besorgte sich, was fehlte: eine neue Säge, eine Ersatzaxt, noch einige Kleinigkeiten dazu.

Unvermittelt stand sie vor einer besonderen Marktbude. Viele verschiedene Waffen waren zu sehen: Dolche, Feuersteinäxte, diverse Bögen, Kampfstäbe, Piken, Zauberstäbe, die verschiedensten Schwerter und manches was sie nicht kannte – alles schön zur Ansicht ausgelegt.
Ihr Blick kehrte immer wieder zu den Bögen zurück, ja, wenn kämpfen, dann nur mit Bogen oder einen von den Zauberstäben, sie war immer noch eine Sidhe.*

Sie nahm einen der Kurzbögen in die Hand. Er sah aus, als wenn er über einem festen Kern mit Leder bezogen worden war, die Sehne aus einem Material, was sie an Seide erinnerte. Trotz seiner Einfachheit lag er gut in der Hand, hatte die richtige Spannkraft und war genügend flexibel. Die dazu gehörenden Pfeile waren einfache aus Stein geschnittene scharfe Spitzen, mit Garn an Weidenruten befestigt.

Mittlerweile war die Besitzerin der Marktbude herangetreten und fragte, ob sie helfen könnte. Sie hatte eine kräftige Figur, die braunen Haare in einem bis an die Hüften reichenden dicken Zopf geflochten war sie bekleidet mit einer der in Simkea üblichen Tunika in Beige und einem im Farbton exakt zu der Haarfarbe passenden Rock.
„Werte Meisterin, ich möchte das Kämpfen erlernen und benötige dafür eine für mich passende Waffe“
„Da kann ich Euch den Kurzbogen anbieten, den Ihr schon in der Hand habt, oder wollt Ihr lieber einen Dolch, der passt auch zu Euch. Feuersteinaxt und Holzschwert sind ebenfalls für Anfänger“ bot die Schmiedin an.
„Nein, keinen Dolch, ich mag lieber auf Abstand kämpfen und außerdem sind Bögen unsere Hauptwaffe. Schade nur, dass ich die guten Sternmetallpfeile meines Volkes hier nicht bekommen kann.“ Beim letzten Satz traten ihr Tränen in die Augen, verstohlen wischte sie sie weg.
Schnell ablenkend wies die Meisterin ins Innere der geräumigen Marktbude.
Viele Rüstungen waren da zu sehen, aus Leder, Holz, Pelz, Kettenrüstungen, seltsam grün schimmernde, und gar Schuppenrüstungen hingen an der hinteren Wand.
„Eine Rüstung braucht Ihr auch, ich kann Euch eine alte Platte, eine geflickte Lederrüstung oder ein rostiges Kettenhemd anbieten, alles für Anfänger geeignet.“
Sie hatten sich bald geeinigt, mit sicherem Griff zog die Meisterschmiedin eine, von der Größe passend aussehend, geflickte Lederrüstung aus einem Stapel hervor.
Diese sah etwas seltsam aus, vielmals geflickt, hatte aber doch noch einige kleinere Löcher und Risse.

Sie zählte passend die Heller für die Ausrüstung aus ihrem Geldbeutel ab und übergab es der Schmiedin. Die Rüstung und die gebündelten Steinpfeile verstaute sie im Rucksack, den Kurzbogen hängte sie in alter Gewohnheit über. Freundlich verabschiedete sie sich von der Schmiedin und wandte sich den zum Sitzen einladenden Holzbänken am Feuer zu.

*Sidhe keltisch, gesprochen Schii

 

Fortsetzung folgt …

 

Ravalya Kergarth

This entry was posted on Mittwoch, Oktober 23rd, 2024 at 09:58 and is filed under Bürger hautnah, Es war einmal..., Geschichten, Gedichte und Musikalisches. You can follow any responses to this entry through the RSS 2.0 feed. You can leave a response, or trackback from your own site.

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