Als Xandresch heldenhaft bei der Schlacht in Svelltland nahe der Stadt Tiefhusen gegen den Orkensturm fiel, versammelten sich seine menschlichen Gefährten.
„Möge Golgari (der Seelenrabe Borons) seine Seele sicher geleiten.“
Unerwartet laut hallte die Stimme wider, zurückgeworfen von Wänden und Decke der natürlichen Höhle, in der die drei Gefährten sich versammelt hatten. Branwyn hielt inne, verunsichert vom ungewohnten Klang seiner Worte. Leiser fuhr er fort: „Möge Boron seiner Seele gnädig sein. Xandresch, Sohn des Xolgrim, schied gewaltsam aus unserer Welt und wir, die wir zurückgebliebenen sind, vermögen nicht zu sagen, nach welchen Göttern sein Herz sich sehnt und wo seine Seele Einlass begehrt. Er war ein tapferer Kämpfer und verstand sich vorzüglich auf die Schmiedekunst. Doch wenig erfuhren wir über seine Herkunft und seine Vergangenheit, über die Gründe, warum er seine Heimat und Familie verlassen hatte.“
Branwyn verstummte. Ein wenig betreten, unsicher. Sein Blick verharrte auf dem Antlitz des Zwerges, den sie auf einem Bett aus notdürftig behauenen Scheiten und trockenen Zweigen aufgebahrt hatten. Starr wie Stein wirkten seine Züge; im Schlaf hatte er oft so ausgesehen. Aber auch grau und brüchig wie alter Fels war nun seine Haut. In den auf der Brust gefalteten Händen ruhte seine doppelblättrige Axt, die er mit eigenen Händen gefertigt hatte, und verdeckte nur leidlich die schwere Wunde in seiner Seite. Ohne jede Verzierung war die Waffe, und keinen Namen hatte sie je getragen; Branwyn kam der Gedanke, dass die Axt ihre bewegte Geschichte ebenso verbarg, wie Xandresch selbst immer über seine Vergangenheit geschwiegen hatte.
„Wenig wissen wir über die Nöte und Wünsche“, fuhr er nachdenklich fort. „Ein Fremder war er in unserer Welt und wie mag es ihm ergangen sein, fern von den Seinen? Wonach mag sein Herz sich gesehnt haben, in den einsamen Stunden der nächtlichen Wacht, wenn wir an unsere Familien und Freunde in der Heimat dachten? Ob er vielleicht auch irgendwo eine Liebste hatte? Ob er jemals daran gedacht hat, zurückzukehren in die Höhlen seines Volkes, um irgendwann seinen Kindern und Enkelkindern abends am Herdfeuer die Geschichten seiner Abenteuerfahrten zu erzählen? Warum nur, Xandresch, hast du über all diese Dinge stets geschwiegen? Waren wir dir nicht gute Gefährten und …. Freunde?“ Und leiser: „Warst du vielleicht auch in unserer Runde einsam? Wir wissen nicht einmal zu sagen, welchen Weg deine Seele nun erstrebt, wo das Leben aus deinem Körper gewichen ist.“
Erneut hielt Branwyn inne, suchte nach den richtigen Worten – und fand sie endlich.
„Möge … Angrosch .…“ ein Stocken; dann setzte er mit fester Stimme neu an: „Möge Angrosch dich in seinen Hallen willkommen heißen. Mögest du an seiner Esse schmieden und deine Kräfte mit den großen Kämpfern deines Volkes messen. Mögest du dich an Angroschs Schätzen erfreuen und in seinen prächtig erbauten Hallen wandeln.“
Neraida, die bisher geschwiegen hatte, nahm die Worte auf und fuhr fort: „Mögest du in Angroschs Hallen willkommen geheißen werden als verlorenes und wiedergefundenes Kind seiner Kinder. Mögest du Frieden finden unter deinesgleichen, an den Schmiedefeuern, die du auf dieser Welt verlassen hast und in den Bingen, die du nicht mehr bewohnen konntest. Möge Angrosch dich in Ehren aufnehmen, denn du warst uns ein guter Gefährte, dein starker Arm ist niemals gewichen vor dem Feind, deine Klinge hat sich niemals verweigert, dein Mut dich niemals verlassen, wenn Freunde in Gefahr waren.“
Und Alwinje ergänzte: „Du hast uns zum Lachen gebracht, wenn wir uns in Trübsal ergaben. Du hast uns dazu gebracht, den nächsten Schritt zu gehen, wenn wir glaubten, mit den Kräften am Ende zu sein. Deine Kochkünste waren legendär, wenn auch…“ – sie lächelte – „gewöhnungsbedürftig. Den Fehler, deine Einladung zum gemeinsamen Zechen anzunehmen, machte man nur einmal.“
Schließlich zitterte ihre Stimme, als sie hinzufügte: „Lebe wohl, Freund.“
Als dieses letzte Wort verhallt war, senkte Alwinje die Fackel, die sie in der Hand trug, und setzte das Holz in Brand. Hell loderten die Flammen an den trockenen Zweigen empor, und bald schloss das Feuer den toten Körper von Xandresch, Sohn des Xolgrim, ein. Die Gefährten standen schweigend, bis die Flammen die steinerne Maske seines Gesichtes erreicht hatten.
(Klamdor)
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