26
Okt

Der Schneider

   Posted by: Liala   in Berufs - Bilder

Geneigte Leser,

die Produkte der dieswöchigen Berufsgruppe hatte wohl ein jeder unter euch schon einmal in den Händen; oder, um es genauer zu sagen, am Leib. Richtig, heute werdet ihr etwas von den fleißigen Schneidern unserer Welt erfahren, die Nadel und Faden nie ruhen lassen, um uns täglich mit Kleidung zu versorgen.
Nachdem mich das eindringliche Betrachten meiner eigenen Bekleidung, Tunika und Rock, nicht recht weiter brachte beschloss ich, meine Nachforschungen doch in der üblichen Weise durchzuführen und lenkte meine Schritte in Richtung der Hallen des Wissens.
Mögen die dicken Mauern dieses Bauwerks im Sommer eine schöne Abwechslung zur drückenden Hitze in der Rest der Stadt bieten, wusste ich nun einen ersten Vorteil von Kleidung zu schätzen: sie schützt exzellent vor Kälte! Nichts desto Trotz ein wenig fröstelnd ließ ich mich an dem oft von mir genutzten Lesepult nieder und schlug das große Buch der Berufe auf, um zu sehen, was mir dieses wohl über den Schneider würde berichten können.
Wie bereits vermutet bestätigte sich, dass das Handwerkszeug des Nähers sich recht einfach gestaltet – mit Nadel und Garn vermag er fast alle seiner Produkte zu fertigen, worunter sich Kleidung, allerlei Textilien für das Haus und noch das ein oder andere mehr finden.
Nun wurde mir die durchdringende Kälte doch ein wenig zu viel und so legte ich das Buch mit klammen Fingern zurück ins Regal.
Am Marktplatz angekommen – wo sonst hätte ich einen Dunkelbohnentrank erstehen können – schlenderte ich zunächst ein wenig durch die Marktgasse, um mir all die schönen Dinge aus Stoff einmal genauer anzusehen. Ich empfand ein wenig Ehrfurcht angesichts der fein gearbeiteten Kleidungsstücke, es musste ein immenses Maß an Geduld und Genauigkeit erfordern, einem einzigen Produkt so lange die benötigte Aufmerksamkeit zu schenken. Ganz zu schweigen von den feinen und doch so gleichmäßigen Nähten… ich begab mich wieder aus der Gasse hinauf, hin zum etwas belebteren Teil des Marktes. Hier würde sich doch sicher ein Schneider finden, der mir Auskunft erteilen konnte.
Und in der Tat, ich brauchte auch nicht lange, bis ich die liebreizende Flummii fand, die sich bereit erklärte, die Näharbeit, an der sie gerade saß, für einige Momente zu unterbrechen.

„Also, werte Flummii, was hat Euch denn bewogen, Euch dem Schneiderhandwerk zu widmen? Es muss doch ein sehr schwieriger Beruf sein, und bestimmt nicht einfach zu meistern?“, fügte ich mit einem Blick auf das Gewirr aus Stoff und Garn auf ihrem Schoß hinzu.
„Ich finde die Arbeit sehr kreativ, weil es verschiedene Kleidungsstücke gibt. Außerdem ist es etwas, das jeder benötigt.“ Sie warf einen professionell abschätzenden Blick auf meine – zugegeben nicht mehr ganz neue – Kleidung.
„Oh ja, in der Tat.“, stimmte ich zu und zupfte ein wenig verlegen an meiner Tunika, an der ein Faden den günstigen Moment genutzt hatte, um sich zu lösen. Ich schob diese Betrachtung vorerst beiseite und räusperte mich. „Beginnen wir doch gleich mit der Vielfalt – welche Produkte fertigt Ihr?“
Sie machte eine ausladende Handbewegung. „Ich fertige Hemden, Hosen für die Herren und Tuniken und Röcke für die Damenwelt. Außerdem gibt es noch Stoffumhänge, Tuchbeutel und neuerdings Bettwäsche. Oh, natürlich auch gefärbte Kleidung.“, fügte sie noch eilig hinzu.
„Ich sehe schon, an potentiellen Kunden mangelt es Euch bei dieser breiten Palette nicht.“, und fügte mich selbst in Gedanken schon hinzu, während ich an einem Stück meines abgerissenen Rocksaums herumfingerte. „Was muss ein angehender Schneider denn an körperlichen Voraussetzungen mitbringen, abgesehen von Geduld?“
„Sehr viel Fingerfertigkeit, und klug muss man sein, damit die Ärmel am Ende auch gleich lang sind.“
Zustimmend nickte ich. „Ja, das finde ich auch immer wieder faszinierend! Wenn ich überlege, wenn ich so etwas schneidern müsste…“, und unterbrach mich, leicht errötend, schließlich selbst. „Verzeiht, zurück zum Thema. Welche Materialien benötigt Ihr und wie aufwändig ist es, an diese zu kommen?“
Flummiis unterdrücktes Grinsen wusste ich sehr zu schätzen. „Nun, erst einmal braucht man Nadel und Schere und dann sehr viel Wolle, die erst zu Garn gesponnen werden muss und dann zu Stoffrollen gewoben wird. Diese müssen dann noch zu Stoff zurecht geschnitten werden. Erst dann kann man ein Kleidungsstück nähen.“
„Aber das Weben ist nicht Aufgabe der Schneider, oder?“, fragte ich verblüfft.
Zögerlich nickte sie. „Ja, das stimmt, aber die meisten Schneider weben selbst, da die Rohstoffe sonst sehr teuer wären.“
„Verstehe, also wäre Weber ein passender Zweitberuf?“
Wieder nickte sie, dieses Mal deutlich nachdrücklicher. „Auf jeden Fall!“
Eifrig notierte ich und durchsuchte meine Aufzeichnungen nach der nächsten Frage. „Sagt, ist ein Hemd aufwändiger als eine Tunika? Eine Hose schwieriger zu fertigen als ein Rock? Oder hält es sich die Waage?“
Flummii schmunzelte leicht. „Der Unterschied ist nur in der Optik, damit die modebewusste Frau nicht in unförmigen Hemden und Hosen rumlaufen muss.“
Diesem Aspekt konnte ich aus ganzem Herzen zustimmen, wenngleich mir jenes etwas schwer wurde, als ich einen weiteren Faden aus meiner Oberbekleidung ziehen konnte.
„Gut, dann noch eine letzte Frage.“, setzte ich eilig an. „Ihr spracht vorhin die mitunter doch recht teuren Rohstoffe an – lohnt es sich dann überhaupt für Neulinge unserer Welt, das Schneiderhandwerk auszuüben? Oder sollte man sich erst einmal ein gewisses finanzielles Polster sichern?“
Sie ließ sich Zeit mit ihrer Antwort. „Nun… als Schneider verdient man nicht sehr viel Geld und die Investitionen in Rohstoffe sind sehr hoch. Für Anfänger würde ich es nicht empfehlen, außer sie fangen als Weber an und verkaufen erst einmal ihr Garn weiter. Schneidern kann man später immer noch.“
Mit einem ausladenden abschließenden Schwung meiner Schreibfeder riss der sprichwörtlich letzte Faden an meiner Tunika; lediglich durch ein schnelles Eingreifen konnte ich peinliche Enthüllungen vermeiden. Glücklicherweise befand ich mich ja an der richtigen Adresse. „Ich danke Euch vielmals für Eure Ausführungen, werte Flummii. Zu guter Letzt…“ Ich räusperte mich nervös. „Ihr hättet nicht zufällig einen Rock und eine Tunika fertig?“
Flink erlöste sie mich aus meiner Misere und überreichte mir das Gewünschte, was ich auch dankbar überstreifte.
Nachdem ich mich ausgiebig bedankt hatte, verabschiedeten wir uns voneinander; im Weggehen konnte ich noch sehen, dass Flummii sich bereits wieder ihrer Arbeit widmete. Beladen mit Notizzetteln fand ich mich schließlich in der Redaktion ein.

Das Schneiderhandwerk ist sicher nicht für jeden etwas, erfordert es doch gewisse Fähigkeiten, die sich teilweise nur schwer erlernen lassen. Aber vielleicht nimmt ja der ein oder andere von euch doch einmal die Nadel in die Hand, um sich einmal selbst im Nähen zu versuchen. Und sollte dies nicht funktionieren so lernt ihr dadurch immerhin die Arbeit eines gelernten Nähers zu schätzen – so wie ich, die Tunika hält noch immer und sitzt hervorragend!
Ich wünsche euch eine angenehme Woche,
eure Liala

This entry was posted on Montag, Oktober 26th, 2009 at 09:59 and is filed under Berufs - Bilder. You can follow any responses to this entry through the RSS 2.0 feed. Responses are currently closed, but you can trackback from your own site.

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