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Sep

Seelenjagd – Teil 2

   Posted by: Lahja   in Geschichten, Gedichte und Musikalisches

 

Die Lampe wurde ganz nah ans Regal gehalten und im Lichtschein erkannte Lahja eine Unmenge von kleinen, sorgfältig verkorkten Fläschchen, säuberlich etikettiert. Im nächsten Moment japste sie erschrocken auf und trat schnell wieder einen Schritt zurück. In den Flaschen tänzelten weiße Rauchschwaden, mal träge, mal wilder, in einigen Behältnissen dicht und beinahe undurchdringlich, in anderen nur ein Hauch von zartem Nebel.

Ihr erster Gedanke war FLUCHT! Raus hier, nichts wie weg, rette mich, wer kann! Doch die Neugierde gewann die Oberhand und erneut trat Lahja an das Regal heran und betrachtete die Etiketten. Gut konnte sie noch nicht lesen, auch nicht schnell. Doch Professor Bloom war ein geduldiger und guter Lehrer und sie selbst war lernbegierig, so daß Lahja schon deutliche Fortschritte gemacht hatte.

Leise murmelnd entzifferte sie das erste Etikett: J-A-D-W-I-N, „Jadwin!“ japste sie. Ihr Blick fiel auf das nächste Fläschchen: A-V-A-D-O-V-E, „Ava!“

Ihr Herz raste und Lahja glaubte, es würde jeden Moment ihren Brustkasten sprengen. Was bei allen Göttern war das nur?

 

Einige Augenblicke lang stand sie vor der Sammlung von Dutzenden und Aberdutzenden von Flaschen und starrte die wabernden Rauchschwaden an, bis schließlich auch die Buchstaben auf den Etiketten begannen, vor ihren Augen auf und ab zu tanzen.

Lahja blinzelte und schüttelte energisch den Kopf, dann hob sie die Tranlampe ein wenig an und schaute in das Regalfach oberhalb der Fläschchen.

“Heilige Saidhis (Anm.: Saidhis, Göttin der Liebe, des Lebens und der Freude), Mutter allen Lebens, steh uns bei!” entfuhr es ihr.

Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und tatsächlich … Sanduhren, Reihe um Reihe, dicht an dicht. Und auch diese waren säuberlich mit Namen beschriftet. Augenscheinlich hatte jedes der Fläschchen sein Gegenstück an Sanduhr.

Der Rotschopf merkte, wie sich ihre Nackenhaare aufstellten und sie hatte das Gefühl, als würden Ameisenvölker ihren Rücken hinauf und wieder herunter wandern.

RAUS! SOFORT! schrie es in ihr.

Zwei Stufen der Stiege gleichzeitg nehmend rannte Lahja wie von Ulantara (Anm.: Ulantara, Göttin der Geister, Dämonen und der Unterwelt) höchstselbst gejagt hinauf, schlug die Tür hinter sich zu und verließ Rattis Haus. Erst als sie die Sonne am spätsommerlichen Himmel erblickte, atmete sie tief durch und versuchte sich zu beruhigen. Sie mußte sofort Professor Bloom sprechen, die Baustelle würde bis morgen warten müssen.

 

[Fortsetzung folgt]

(Lahja)

This entry was posted on Dienstag, September 22nd, 2015 at 09:54 and is filed under Geschichten, Gedichte und Musikalisches. You can follow any responses to this entry through the RSS 2.0 feed. You can leave a response, or trackback from your own site.

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