23
Apr

Samuelas Ohrwurmchor

   Posted by: Liala   in Schlagzeilen

Geneigte Leser,

ein wenig der alten Routine in meiner Eigenschaft als Schreiberling ist offenbar schon wiedergekehrt. Kaum konnte ich in der letzten Woche über den Markt schlendern, ohne instinktiv für Euch nach seltenen und seltsamen Dingen Ausschau zu halten. Doch so aufmerksam ich auch schaute, waren es dieses Mal nicht meine Augen, deren Aufmerksamkeit erregt wurde. Vielmehr war es ein wahrer Chor zarter Stimmchen, der mich neugierig zu einer Mitsimkeanerin gehen lies…

„Samuela!“, winkte ich. „Huhu! Sag einmal, diese Stimmen… hörst du die auch?“
Mich empfing ein Schmunzeln, was mich im Nachhinein angesichts meiner Aussage auch nicht wunderte. „Welche? Die in meinem Kopf sicherlich… aber was genau meinst du?“
„Nun, im Kopf hat wohl jeder die ein oder andere Stimme.“ Mein Lachen wurde ein wenig zur Unsicherheit „Vielleicht war das ja eben auch… ich glaubte irgendwie, ein – ich weiß nicht, ein Lied zu hören?“ Ich ließ noch einmal meinen Blick über den Mark schweifen, konnte jedoch keinen Barden ausmachen. Auch die magische Box war definitiv nicht in Betrieb.
Ein breites Grinsen zog sich über Samuelas Gesicht, als sie mich von meiner Ahnungslosigkeit erlöste. „Ich glaube, das was du suchst, sitzt in der Tonschale da drüben .“ Sie deutete auf ihre Markstandauslage.“
Ich folgte dem Wink und hielt abrupt inne. „Oh… Sind das etwa… Würmer?“ Nur mit Mühe konnte ich das Entsetzen in meiner Stimme verbergen, was Samuela jedoch – glücklicherweise – unbeeindruckt ließ.
„Ja, das sind Würmer. Ehemalige Regenwürmer, um genau zu sein, die eine besondere Gabe haben.“
„Öh…“ Verzweifelt suchte ich nach höflichen Worten. „Nun, lieber Würmer in einer Tonschale als anderswo.“ Nach einem leisen Räuspern hatte ich einen Teil meiner Beherrschung wiedergefunden. „Wie bist du denn an die gekommen?“
„Oh, das ist eine lange Geschichte und auch eine witzige.“, kicherte sie. „Wenn du etwas Zeit hast, erzähl ich sie dir gerne.“
Ich zog mir ein herumstehendes Fass heran und ließ mich gut gelaunt darauf nieder. „Für gute Geschichten hab ich immer Zeit.“
Sie nickte, setzte sich auf den Boden und verschränkte die Beine. „Alles begann auf der Verlobungsfeier von Bo und Nilli“, setzte sie an. „Der Bote hat im Übrigen davon berichtet. Das ist jetzt wohl ein knappes halbes Jahr her.“ Grübelnd stützte sie das Kinn in die Hand. „Wie war das noch gleich…“
Erwartungsvoll blickte ich auf, die Feder einen Fingerbreit über dem Papier.
„Ach ja!“ Sie lachte kurz auf. „Alphia hatte sich aus irgendeinem Grund mit jemandem in der Wolle und wollte diesen Jemand vom Apfelbaum schütteln.“ In Erinnerung an diese Szene huschte ein erneutes Lächeln über ihr Gesicht. „Auf jeden Fall hatte ich etwas Rotwein erwischt und mich stach der Hafer.“
Grinsend ließ ich die Feder über das Papier kratzen, gespannt, wie die Geschichte wohl weitergehen würde.
„Deshalb fing ich an zu singen“, fuhr sie fort, räusperte sich und setzte zum Singen an: „Für dich, solls kleine Elben regnen… Mist, weiter weiß ich den Text nicht mehr.“
Viel weiter hätte sie wohl auch so nicht singen können, da ich mir ein lautes Auflachen nicht verkneifen konnte. „Das war bestimmt der Hit auf der Feier.“
„Das sag mal Maddie, ich war noch nicht fertig mit der ersten Strophe, da schrie sie bereits auf, ich hätte ihr einen Ohrwurm beschert. Diesen wollte sie dann zur Räson bringen und hat ihn kurzerhand geknebelt.“
„Oha!“, warf ich ein. Der arme Wurm…
„Stell dir das mal vor! Der arme kleiner Kerl!“, entrüstete sich auch Samuela. „Das konnte ich mir nicht mit anschauen und deshalb bin ich dann hingerobbt und hab ihn befreit. Daraufhin hat sie ihn mir geschenkt – und ich versprach, ihn seinen Brüdern vorzustellen, die in meinem Lager wohnten.“
„Ah, und seitdem sind sie zu …“ Ich zählte kurz. „Viert?“
„Nein, nein!“ Sie schüttelte den Kopf. „Am Anfang war nur der alleine, seine zwei Brüder und mein Küken, aber das musste dann in den Recall und deshalb waren die nur zu dritt. Und dann war das Küken beleidigt.“
„Küken? Recall?“ Ich fühlte mich, als hätte ich einen Großteil des Gesprächs verpasst.
Samuela quittierte meinen sicher interessanten Gesichtsausdruck mit einem Kichern. „Entschuldige, ich sollte meine Gedanken ordnen. Also, ich habe auf dem Fest versprochen, dass ich dem Ohrwurm seine Brüder aus meinem Lager vorstellen würde. Und plötzlich gab es die Idee, einen Chor daraus zu machen – und Maddie war schwer begeistert von dieser Idee“. Ihre Miene verlor sich in einem wilden Kichern.
„Das kann ich mir denken – die Ulknudel!“, rief ich lachend aus.
„So war dann also die Idee geboren und um Maddie zu ärgern, hab ich den Chor dann gleich mit dem Fridolin ausgebaut. Fridolin ist das Küken, das ich von meinem Mann geschenkt bekommen habe. Quasi mein Haus… nein, eher Rucksacktier.“, kicherte sie. „Leider war Fridolin nicht besonders versiert im Singen. Deswegen musste er sich noch einmal vor einer Jury beweisen, aber das hat er mir übel genommen. Deswegen weigert er sich momentan, am Chor teil zu nehmen.“
„Oh.“ Mir tat das Küken leid. „Und vielleicht so als leise Stimme im Hintergrund?“
„Naja, die Würmer würden ihn ja mittlerweile mitmachen lassen.“, erklärte sie. „Aber er ist beleidigt und will nicht mehr.“
Ich nickte überzeugt. „Ach, so junge Küken vergessen bestimmt schnell. Dann kann Fridolin auch ganz bald mitsingen.“
„Wir werden sehen. Naja, auf jeden Fall wurde auf der Feier der Chor aus der Taufe gehoben, sie wohnten lange in meinem Lager, weil die Lieder so schmutzig waren, die sie sangen. Ach – und irgendwann kam dann noch der vierte Wurm dazu, ein Geschenk von Maddie.“
Schmutzige Lieder? Ich beschloss, es darauf ankommen zu lassen. „Meinst du, die Würmer könnten mir eventuell noch ein Lied singen?“
Skeptisch blickte Samuela zu den Würmern. „Na wir könnens mal versuchen.“ Sie stand auf und holte die Tonschale. „Jetzt blamiert mich nicht!“, zischte sie den Würmern vor, dann stellte sie sie vor mir auf den Boden. „Was möchtest du denn hören?“ Fragend blickte sie mich an.
Ich musste nicht lange überlegen. „Definitiv eine Eigenkreation!“, grinste ich.
„Oh je… das war ein Fehler.“, lies sich leise von Samuela vernehmen. Die Würmer ließen sich davon offenbar nicht stören, denn schon begannen sie, laut in den unterschiedlichsten Tonlagen und -arten zu krakeelen. „Ja so warns, ja so warns, ja so warns die aaaalten Rittersleut…“
Genau das Richtige! Begeistert klatschte ich in die Hände und lauschte weiter der ein oder anderen zotigen Strophe.
Offenbar angespornt durch mein Klatschen legten sich die kleinen Kerlchen nun richtig ins Zeug: „Und der Ritter Alexander rutscht mal übers Stiegenglander, unten stand ein Nagel vor, seitdem singt er im Knabenchor.“
Grinsend lauschte ich dem Ständchen bis zu Ende und wühlte nach meinem Geldbeutel. „Na das hat sich doch einmal gelohnt!“, lobte ich die kleine Kapelle und legte vor jeden der kleinen Würmer eine Münze. „Sehr schön, habt Dank ihr Würmer. Und danke auch dir, Samuela.“ Zwinkernd erhob ich mich von Fässchen.
„Guckt mal Jungs!“ Begeistert deutete Samuela auf die Kreuzer. „Eure erste Gage!“

Schmunzelnd ließ ich die kleine Gruppe hinter mir und begab mich in die Redaktion. Ganz ehrlich, hätte ich es nicht besser gewusst, ich hätte vermutet, einer der Würmer hätte sich in meinem Ohr eingenistet.
Wie sonst ist es zu erklären, dass ich noch den ganzen Abend diese eine Melodie summen musste. „Ja so warns, ja so warns, ja so warns die alten Ritterlseut…“

Eure
Lia

This entry was posted on Montag, April 23rd, 2012 at 09:59 and is filed under Schlagzeilen. You can follow any responses to this entry through the RSS 2.0 feed. Responses are currently closed, but you can trackback from your own site.

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